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Bankenkrise: Enteignung: Welche Bedenken gibt es dagegen?

Das Bundesfinanzministerium arbeitet an einem Gesetz, mit dem der Staat Banken auch komplett übernehmen und in letzter Konsequenz auch Altaktionäre enteignen darf. Welche Bedenken gibt es dagegen?

Von Robert Birnbaum

Die Debatte ist der Regierung sichtlich peinlich und dem Unionsteil der Koalition noch einmal ganz besonders. Gehört die Verstaatlichung einer Bank für CDU und CSU schon zu einer ordnungspolitischen Zumutung ersten Ranges, galten Enteignungen bisher vollends als sozialistisches Teufelswerk. Vizeregierungssprecher Thomas Steg missbilligt es denn auch im Namen der Kanzlerin ausdrücklich, dass sich die öffentliche Debatte derart auf diese Frage kapriziere. Aber auch Peer Steinbrücks Sprecher Thorsten Albig legt Wert auf die Formel, der (sozialdemokratische) Finanzminister „beabsichtigt keine Enteignung“ der Anteilseigener an der Krisenbank Hypo Real Estate (HRE), sondern lasse nur für den Fall der Fälle alle Handlungsoptionen prüfen.

Die Prüfung ist allerdings schon bis zu einem ausgewachsenen Gesetzentwurf gediehen, der, würde er beschlossen, die Verstaatlichung auch gegen den Willen der Eigentümer ermöglichen würde. Relevant ist das, weil der amerikanische Minderheitsaktionär J. C. Flowers sich offenbar schwer damit tut, seine Anteile abzugeben. Dass es der Regierung damit ganz ernst ist, lässt sich auch aus den zwei Kriterien ableiten, die Steg als „entscheidungsrelevant“ für alle weiteren Schritte in Sachen HRE und künftiger weiterer Krisenbanken nannte: Ein „systemisches Risiko“ müsse verhindert werden und die Lösung müsse „die günstigste für den Steuerzahler“ sein.

Dass die HRE aus Regierungssicht eine solche Bank ist, deren Zusammenbruch das gesamte System bedrohen würde, hat sie handfest dokumentiert. Gut 92 Milliarden Euro Staatsgeld stecken schon als Bürgschaften und Kreditlinien in dem Immobilienfinanzierer. Diese Riesensumme soll der Regierung zugleich die juristische Rechtfertigung liefern, falls es wirklich zur Enteignung kommt.

Das Grundgesetz lässt Enteignung grundsätzlich durchaus zu, wenn zum Beispiel eine Straße gebaut werden soll – allerdings, so schreibt es Artikel 14 vor, nur gegen eine in „gerechter Abwägung“ festgesetzte Entschädigung und vor allem „nur zum Wohle der Allgemeinheit“. Dieses Wohl definiert Steinbrück im Falle der HRE in Milliarden: Angesichts von mehr als 90 Milliarden Euro Steuergeldern, die bei einem Zusammenbruch der Bank verloren wären, sei ein Gemeininteresse „nicht allzu schwer“ abzuleiten, sagt Sprecher Albig.

Verfassungsrechtler wie Markus Heintzen von der Freien Universität Berlin verweisen in der aktuellen Diskussion aber vor allem auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Der besagt, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemein eigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“ können. Genau dieser Artikel ist wohl der Grund dafür, dass auch das Justizministerium offenbar erhebliche Bauchschmerzen mit dem entstehenden Gesetzesentwurf hat – wenn auch sehr diffuse. Denn Artikel 15, seit 1949 fester Bestandteil des Grundgesetzes, wurde bisher noch kein einziges Mal angewandt – entsprechend dünn ist die Kommentarlage, auf die sich Juristen so gerne berufen. „Niemand weiß so recht, wie man mit Artikel 15 umzugehen hat“, sagt Verfassungsrechtler Heintzen. „Mitte der 90er Jahre gab es sogar Stimmen, die diese Vorschrift für obsolet hielten.“ Zumindest das hat sich grundlegend geändert. Wie auch immer das Gesetz der Bundesregierung am Ende aussehen wird – fest stehe, dass es „durch das Nadelöhr von Artikel 15 hindurch“ müsse, sagt Heintzen.

Ungewissheit herrscht dem Verfassungsrechtler zufolge in mehreren Fragen. So sei strittig, ob Banken überhaupt als „Produktionsmittel“ anzusehen sind – nur dann fallen sie unter Artikel 15 – oder nicht einfach nur als „Dienstleister“. In diesem Falle käme eine Vergesellschaftung gar nicht infrage, sagt Heintzen. Zudem müsste in dem neuen Gesetz ge regelt werden, wie der Unternehmenswert für die Entschädigung veranschlagt werde. Das könnte, müsste aber nicht auf Grundlage des aktuellen Börsenwerts des Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag geschehen. „Und dann muss geklärt sein, wie sichergestellt werden kann, dass eine in Gemeineigentum überführte Bank auch wirklich dem Gemeinwohl dient“, sagt Heintzen. Dies sei auch eine Frage des richtigen Managements und nach den Problemen mit den Landesbanken sei es hierbei mehr als fraglich, ob der Staat das besser könne als Ackermann und Co. Nur wenn diese Punkte in dem Gesetz geklärt werden könnten, sei es mit Artikel 15 vereinbar.

Über das neue Gesetz soll nun bis Ende März entschieden werden – und so oder so nur gemeinsam von der ganzen Regierung. Denn: Den Schuh eines Verstaat lichers will sich Steinbrück keinesfalls alleine anziehen.

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