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So siehst du mich. Barack Obama (r.) und Kehinde Wiley vor dem Porträt des 44. Präsidenten der USA.

© dpa

Barack Obama: Der gemalte Ex-Präsident sitzt im Efeugeränk

Nun haben auch die Obamas ihre Porträts. Künstler Kehinde Wiley vermischt Politik und Fiktion. War der ehemalige US-Präsident gefangener als gedacht? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Max Tholl

Die Präsidentschaft von Barack Obama ist Geschichte, aber er macht weiterhin Schlagzeilen. Am Montag wurden in Anwesenheit von ihm und seiner Frau Michelle die offiziellen Porträts der beiden in der National Portrait Gallery in Washington vorgestellt. Die Gemälde sind Hingucker und brechen mit den traditionellen Porträts der First Couples, wie auch die Obamas mit dem traditionellen Image der Präsidentschaft brachen, als sie ins Weiße Haus zogen.

Barack Obama wurde von Kehinde Wiley gemalt. Der Künstler zeigt ihn vor einer Wand aus Efeu und blühenden Blumen sitzend, die Arme verschränkt, den Blick geschärft. Die Pose kennt man. So wurde er zigfach fotografiert. Und doch ist das Bild einzigartig, denn es versucht, den Menschen hinter der Macht zu enthüllen.

Das Porträtieren der Mächtigen hat Tradition. Seit Jahrhunderten lassen sie ihr Konterfei auf Leinwänden festhalten. Die Gemälde dienten nicht nur narzisstischen Impulsen, sondern sollten neben den Taten auch die Person an sich auf alle Ewigkeit dokumentieren und dem Volk näherbringen. Denn die Herrschenden waren ein Mysterium, ihr Innenleben dem gewöhnlichen Bürger nicht zugänglich.

Jeder Pinselstrich ist eine offene Frage an den Betrachter

Das steht im Kontrast zu heutigen Zeiten, in denen die Distanz zu schwinden scheint. Der Lebensweg von Staatsoberhäuptern wie Obama ist bis ins letzte Detail dokumentiert, jeder Schritt von ihnen passiert unter dem wachsamen Auge der Öffentlichkeit. Für das Private bleiben da nur noch wenige Rückzugsorte und der Gedanke liegt nahe, dass man sie, die da oben, wirklich kennt und durchdringt. Von wegen.

Was Porträts einzigartig macht, ist ihr Vermögen, die Essenz einer Person festzuhalten und reichlich Platz für das Ungewisse übrig zu lassen. Jeder Pinselstrich ist eine offene Frage an den Betrachter und fordert das eigene Bild der porträtierten Person heraus. Wileys Obama-Porträt vermischt Politik und Fiktion. Sieht man den Präsidenten Obama in seiner gewohnten Pose oder die Privatperson Obama im Garten, die uns durch die verschiedenen Blüten an seine kenianischen Wurzeln, seine Kindheit in Hawaii und Karriere in Chicago erinnert? Wie gut kennt man diesen Mann wirklich? Das Porträt ist eine Erinnerung an unsere Unkenntnis. Und daran, dass hinter komplexer Politik selten eine simple Person steckt. Wobei die amerikanische Autorin Kashana Cauly schon vermutet, dass das nächste Präsidentenporträt wahrscheinlich einfach ein Bild eines Tweets sein wird. Passend wäre es.

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