zum Hauptinhalt
Neue Marschrichtung. US-Präsident Obama hat den Startschuss für den Abzug gegeben – bis Sommer 2012 soll ein Drittel der amerikanischen Soldaten wieder daheim sein.

© dpa

Barack Obama: Kentucky statt Kabul

In seiner Rede zum Rückzug aus Afghanistan verspricht Obama „Nation Building“ für Amerika. Sein Hauptmotiv dabei sei die Wiederwahl 2012, sagen Zeitungen.

Am Morgen nach der Afghanistanrede überwiegt die Kritik am Präsidenten. Er habe den Rat seiner Generäle in den Wind geschlagen und setze auf einen zu frühen Rückzug, schreibt das „Wall Street Journal“. Sein Hauptmotiv dabei sei die Wiederwahl 2012. Er wolle im Wahlkampf als „Oberbefehlshaber dastehen, der George W. Bushs Kriege beendet und die Truppen heimgeholt hat“.

Auch die Kommentatoren anderer Blätter betonen den Zwiespalt Obamas zwischen dem innenpolitischen Kalkül und den militärischen Notwendigkeiten. „Die beste Rechtfertigung“ für den Einstieg in den Rückzug sei „die öffentliche Meinung im Inland“, analysiert die „Washington Post“. Doch der Präsident habe „keine überzeugende Militärstrategie“ darlegen können.

In den Berichten der Zeitungen über die wichtigsten Passagen der Rede sticht das Argument heraus, es sei Zeit, dass die USA an ihre innenpolitischen Herausforderungen denken und nicht weiter so viel Geld für Kriege im Ausland ausgeben. Obamas zentraler Satz dazu wird überall zitiert: „Amerika, es ist Zeit, dass wir uns auf das Nation-Building hier bei uns zu Hause konzentrieren.“ Seit Monaten fordern Gouverneure und Landespolitiker, deren Budgets unter den Folgen der Wirtschaftskrise leiden, die USA sollten aus den begrenzten Steuereinnahmen besser Straßen und Schulen in Kansas und Kentucky finanzieren statt in Kabul und Kandahar.

Die US-Blätter schreiben übereinstimmend, im Afghanistankrieg seien annähernd 1600 US-Soldaten gefallen. Der Einsatz habe Amerika rund 500 Milliarden Dollar bisher gekostet. Im Irak kamen 4500 US-Soldaten ums Leben; dort beliefen sich die Kriegskosten auf rund 800 Milliarden Dollar. Die Demokratische Partei ist mehrheitlich gegen eine Fortsetzung des Kriegs in Afghanistan. Auch unter Republikanern, die bisher verlässlich hinter dem Einsatz standen, sinkt die Zustimmung. In Meinungsumfragen sagen zwei Drittel, dass Afghanistan die Kämpfe und Opfer nicht wert sei. Vor wenigen Wochen hatten sich drei Viertel der Befragten für einen raschen Rückzug ausgesprochen.

Die „New York Times“ betont: „Die Amerikaner sind ungeduldig mit dem Krieg in Afghanistan und verzweifeln zunehmend.“ Doch militärisch komme der Rückzug zu früh. Nur dank der Verstärkung um 33 000 Mann, die Obama im Herbst 2009 verkündet hatte und die erst im Laufe des Jahres 2010 in Afghanistan eintraf, sei es gelungen, die Taliban im Süden zurückzudrängen, argumentieren die Zeitungen. Diese Gebiete müssten nun gehalten werden, um die Lage zu stabilisieren; und zugleich müssten die USA und ihre Nato-Verbündeten die Ostregion an der Grenze zu Pakistan unter ihre Kontrolle bringen. Es verringere die Erfolgsaussichten, wenn Obama schon jetzt den Rückzug antrete.

Die „Washington Post“ macht sich zudem Sorgen, ob Obama ein falsches Signal an die Verbündeten sende. Zusammen stellen sie 40 000 Mann, und die sollten bis zur Übergabe der Provinzen in afghanische Verantwortung im Land bleiben. Diese Übergabe soll bis 2014 abgeschlossen sein. Auch die Alliierten würden ihre Truppen nun reduzieren, wenn Amerika bereits jetzt einige tausend seiner mehr als 100 000 Soldaten abziehe.

In seiner Rede hat Obama sein Kriegsziel sehr eng definiert: zu verhindern, dass Afghanistan wieder „ein sicherer Rückzugsraum wird, von dem aus Al Qaida Anschläge gegen uns oder unsere Verbündeten plant“. Doch „wir werden nicht versuchen, Afghanistan zu einem perfekten Land zu machen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false