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Baskenland: Ein Leben ohne Angst

Seit einer Woche ist im spanischen Baskenland die «Waffenruhe» der Untergrundorganisation ETA in Kraft. Die Angst vor dem Terror ist damit nicht verschwunden, aber für die 2,1 Millionen Bewohner der Region hat sich doch einiges geändert.

Madrid/Bilbao - Der morgendliche Gang zum Bäcker oder zum Zeitungskiosk ist für die meisten Menschen schlichte Alltagsroutine. Für Juan Carlos Merino sind diese Besorgungen zu einem Genuss geworden. «Endlich konnte ich einmal ohne Leibwächter auf die Straße gehen», berichtet der Bürgermeister von Rentería in Nordspanien. «Ich habe es genossen, einfach losmarschieren zu können, ohne mit meinen Beschützern vorher einen Zeitpunkt verabreden zu müssen.»

«Einige Leute winkten mir erstaunt zu, als sie mich ohne Leibwächter sahen», beschreibt das sozialistische Oberhaupt seine Erlebnisse bei einem Rundgang durch die bei San Sebastián gelegene Stadt mit 40.000 Einwohnern. «Ich fühlte mich fast wie ein Etappensieger bei der Tour de France.»

Mehr als 3000 Menschen sind im Baskenland bisher auf den Schutz von Leibwächtern angewiesen, weil sie als potenzielle Ziele der ETA-Terroristen gelten. Dazu gehören Kommunalpolitiker, Richter oder Staatsanwälte. Im Grundsatz hat sich an den Schutzvorkehrungen eine Woche nach dem ETA-Gewaltverzicht wenig geändert.

Brav die Eskorte benutzen

Das spanische Innenministerium hält den Personenschutz unverändert aufrecht, solange nicht geklärt ist, ob die ETA sich endgültig vom Terror abgekehrt hat. Die Sozialisten und die konservative Volkspartei entschieden, dass ihre Amtsträger im Baskenland weiterhin Leibwächter in Anspruch nehmen. Bürgermeister Merino verspricht: «Auch ich werde künftig wieder brav meine Eskorte benutzen. Ich musste einfach mal die Erfahrung eines Spaziergangs ohne Leibwächter machen.»

Insgesamt hat sich aber die Stimmung im Baskenland merklich entspannt. Die Angst, unter dem Auto könnte eine Bombe angebracht sein, ist weitgehend gewichen. «Wir sind ein wenig freier geworden», ist der einhellige Kommentar vieler Basken zu den Auswirkungen der «Waffenruhe». Die Hoffnung auf die Einleitung eines Friedensprozesses verlieh auch der Separatistenpartei Batasuna (Einheit) Auftrieb. Die ETA-nahe Gruppierung hält Treffen und Kundgebungen ab, sie ist so präsent wie seit langem nicht mehr. Dabei ist Batasuna nach wie vor verboten. Aber die Parteiführer wissen, dass sie bei Verhandlungen Madrids mit der ETA eine Schlüsselrolle spielen dürften.

Allerdings ist im Baskenland auch eine gehörige Portion an Skepsis geblieben. Viele Bewohner sprechen ungern oder gar nicht über den ETA-Terror. Eine Studentin in San Sebastián berichtet: «Hier an der Universität redet man kaum über die Waffenruhe. Das Thema ist beinahe ein Tabu.» Die 18-Jährige erläutert auch weshalb: «In die Politik mischt man sich am besten nicht ein. Dann hat man seinen Frieden.»

Keine "Revolutionssteuer" mehr

Skeptisch äußeren sich auch die Unternehmer. Sie befürchten, das die ETA mit ihrem Gewaltverzicht zwar die Bombenanschläge einstellt, aber bei Firmenchefs weiterhin «Schutzgelder» kassiert. Die Organisation finanziert sich zu einem großen Teil mit der - durch Erpressung eingetriebenen - «Revolutionssteuer». «Wenn die Erpressung nicht aufhört, kann man nicht von einem wirklichen Gewaltverzicht sprechen», betont der Sprecher eines Unternehmerverbandes.

Der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero ordnete an, dass die Polizei und der Geheimdienst verifizieren, wie weit die «Waffenruhe» der ETA reicht. Madrid verlangt nach Angaben der Zeitung «El País», dass die ETA nicht nur ihre Anschläge stoppt, sondern auch keine neuen Mitglieder mehr anwirbt, sich keine neuen Waffen verschafft und keine Unternehmer mehr erpresst. (Von Hubert Kahl, dpa)

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