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Politik: Bauern beschwichtigen

So leise ist der Kanzler selten. Aber es ist ja auch kein Heimspiel, zu dem er nach Haldensleben in Sachsen-Anhalt angereist ist.

So leise ist der Kanzler selten. Aber es ist ja auch kein Heimspiel, zu dem er nach Haldensleben in Sachsen-Anhalt angereist ist. Bei der agrarpolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion redete er vor einem fast schon feindseligen Publikum. Schließlich war es Gerhard Schröder gewesen, der vor einem guten Jahr die Abkehr von den Agrarfabriken gefordert hatte. Und hier sitzen sie, die Bauern mit den großen Flächen, die Genossenschaften, die aus Prinzip misstrauische Landbevölkerung, die sich angegriffen fühlt. Also vermeidet Schröder jede Provokation. Er lobt die Veränderungsbereitschaft der Ostdeutschen. Er bemüht sich um Verbindlichkeit selbst dann, wenn er die eigene Politik etwas vollmundiger loben dürfte. Zum Beispiel, als er erwähnt, dass die Gewinne der Bauern im abgelaufenen Wirtschaftsjahr trotz BSE-Krise um 17 Prozent gewachsen sind.

Schröder redet frei, hat das Publikum immer im Blick und versucht eine freundliche Verpackung für die eigenen Reformforderungen zu finden. Die örtliche Heidekönigin muss herhalten als Beweis dafür, dass die Landwirtschaft auch dafür zuständig ist, intakte Landschaften zu erhalten. Denn die Heidekönigin vertritt eine wunderbare Landschaft, sagt Schröder. Schön sei sie obendrein. So was kommt an. Und klingt nicht mehr nach "unnötigen Einschränkungen", die zuvor der Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) noch beklagt hatte.

Dann kommt Schröder auf die Agrarfabriken zu sprechen. Darüber sind die Bauern heute noch böse. Schröder windet sich. Nein, er nimmt es nicht zurück, aber er relativiert seinen Satz doch sehr. Die Definition, die er nun mit einem Jahr Verspätung nachliefert, sieht so aus: Bäuerliche Betriebe seien die, die flächengebunden wirtschaften, also den größten Teil des Viehfutters selbst erzeugen. Industrielle Produktion dagegen wirtschafte ohne Fläche und kaufe das gesamte Futter von anderen Händlern zu. Der Saal ist mäßig beeindruckt.

Aber der Bauernverbands-Präsident, Gerd Sonnleitner, ist endlich einmal zufrieden mit seinem Kanzler. Diesen Ton Schröders wolle der Verband aufnehmen, verspricht Sonnleitner. Angesichts der agrarpolitischen Vorschläge des Kanzlers "ist der Bauernpräsident ja fast überflüssig", befindet er. Jetzt störe nur noch die Ministerin Renate Künast (Grüne), denn sie stehe noch zwischen Verbandswohl und Gemeinwohl. Zum ersten Mal an diesem Tag jubelt der Saal.

Schröder hat zwei Botschaften nach Haldensleben mitgebracht. Eine versöhnliche an die Bauern und eine kämpferische an die Grünen: Er will dem Koalitionspartner das Thema nicht vollständig überlassen. Er will aber auch klar machen, dass weitere Reformen nötig sind. Schröder spricht von Verbraucher orientierter Produktion und meint damit die Frauen, die vor allem für ihre Kinder auf gesunde Lebensmittel achten und "viel sensibler sind als mancher Kerl, der hier im Saal sitzt". Die Verbraucher müssten die Garantie haben, dass in den Lebensmitteln "nichts drin ist, was nicht reingehört". Das würde dem Bundeskanzler als Agrarreform schon reichen. Dem Bauernverbandspräsidenten zweifellos auch.

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