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Politik: Baut sich Putin einen Zarenpalast?

Unternehmer behauptet, Russlands Premier stecke eine Riesensumme in ein Anwesen am Schwarzen Meer

Umgerechnet eine Milliarde US-Dollar soll der weiße Palast bisher verschlungen haben, der seit 2006 im italienischen Stil am russischen Ufer des Schwarzen Meeres errichtet wird. Die Summe ist selbst für hiesige Verhältnisse rekordverdächtig. Zumal Nikolai Schamalow – der Mann, der offiziell als Bauherr firmiert – nicht einmal zur Spitzengruppe von Russlands „Goldener Horde“ gehört. Schamalow, Miteigentümer eines Petersburger Unternehmens, das sich auf Baugruppen für standardisierte Einrichtungen des staatlichen Gesundheitswesens spezialisiert hat, sei nur ein Strohmann, behauptet jetzt dessen langjähriger Geschäftsfreund und Mitgesellschafter Sergej Kolesnikow. In Wahrheit gehöre die Luxusimmobilie Schamalows Freund: Premierminister Wladimir Putin.

So jedenfalls steht es in einem offenen Brief von Kolesnikow an Präsident Dmitri Medwedew, aus dem jetzt die einflussreiche und stets gut informierte Moskauer Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ zitiert, die in Kooperation mit dem „Wall Street Journal“ herausgegeben wird. Er, so der Briefschreiber, habe den Palast selbst gesehen und im Oktober 2009 Einblick in Kalkulationen und Abrechnungen nehmen können. Daraus gehe auch hervor, dass die Zufahrtsstraße und die Stromleitung auf Staatskosten gebaut wurden. Undenkbar bei Privatresidenzen von Oligarchen.

Die Vorwürfe sind ungeheuerlich. Noch ungeheuerlicher ist, was Kolesnikow zur Finanzierung von Putins „Erholungskomplex“ ausgepetzt hat. Demzufolge hat Schamalow, der angebliche Besitzer des Anwesens, Briefschreiber Kolesnikow und einem weiteren gemeinsamen Freund im Jahr 2000 in Putins Namen angeboten, die Finanzierung mehrerer großer Kontrakte für Bau und Ausstattung staatlicher Gesundheitszentren zu übernehmen. Pro forma – denn real sollte das Geld von Oligarchen kommen, die dem neuen Präsidenten (Putin war im März 2000 gewählt worden) ihre Loyalität beweisen wollten. Wie Kolesnikow selbst zugibt, ist der Deal über seine Holding Petromed abgewickelt worden. Das Unternehmen importiert Medizintechnik. Vor allem von Siemens, bei dessen russischer Tochter damals sowohl der angebliche Putin-Strohmann Schamalow als auch dessen Sohn Juri arbeiteten. Von Schamalow senior, so heißt es weiter in dem Brief an Medwedew, sei auch der Auftrag gekommen, 33 Prozent der Oligarchen-Spenden auf Auslandskonten zu überweisen. 203 Millionen US-Dollar habe Roman Abramowitsch 2001 über eine seiner Stiftungen gezahlt, knapp 15 Millionen seien von dem Stahlkocher Sewerstal gekommen, wo Alexei Mordaschow Mehrheitsaktionär ist.

Den Brief an Medwedew habe ihm sein Gewissen diktiert, die Russen und der Präsident müssten die Wahrheit wissen – das sagte Kolesnikow, der sich vorsichtshalber ins Ausland abgesetzt hat, bei einem Telefonat mit dem Enthüllungsexperten Roman Schleinow, der früher für die kritische „Nowaja Gaseta“ tätig war und jetzt für „Wedomosti“ arbeitet. Ebenfalls vorsichtshalber kommunizierten die beiden über Skype – in der irrigen Annahme, Internet-Telefonie sei abhörsicher.

Sein Chef habe weder mit dem Palast am Meer noch mit den „Korruptionspraktiken“ bei dessen Bau etwas zu tun, wurde Putins Pressesprecher Dmitri Peskow von der staatlichen Nachrichtenagentur Itar-Tass zitiert. Medwedews Kreml-Presseamt wollte den Vorgang bisher n icht kommentieren. Ebenso die an dem Deal angeblich beteiligten Oligarchen.

Die Öffentlichkeit fragt sich, was Briefschreiber Kolesnikow wohl die Hand geführt haben mag. Zumal dieser nicht nur die Rache Putins, sondern auch die seiner Geschäftspartner fürchten muss. Gewissensgründe halten kritische Beobachter daher für unwahrscheinlich. Sie vermuten eine neue Runde im innerrussischen Machtkampf.

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