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Politik: Beamte führen Athens Interimsregierung Linksradikale liegen in Umfragen vorn

Mittellose Griechen fürchten Staatsbankrott nicht.

In Athen sind am Donnerstag das neue griechische Parlament und eine Interimsregierung vereidigt worden. Die 300 Abgeordneten und die Übergangsregierung werden ihr Mandat nur sehr kurz ausüben. Nach dem Scheitern der Regierungsbildung will sich das Parlament schon am heutigen Freitag wieder auflösen. Die Interimsregierung unter dem Richter Panagiotis Pikrammenos soll das Land bis zu den Neuwahlen am 17. Juni führen. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Landes wurden auch Faschisten vereidigt. Deren 21 Abgeordnete betraten das Parlament im militärischen Gleichschritt in Zweieraufstellung.

In der vom höchsten Richter des Verwaltungsgerichtshofes geführten Übergangsregierung übernimmt Georgios Zannias das wichtige Finanzressort. Der hohe Beamte hat Griechenland in den vergangenen Jahren bei wichtigen Treffen in der EU vertreten. Mit dem Außenministerium wurde der Karrierediplomat Petros Molyviatis betraut. Entscheidungen darf die Interimsregierung nicht treffen. Als Konsequenz teilte der Internationale Währungsfonds (IWF), der neben der EU wichtigster Geldgeber des hoch verschuldeten Landes ist, mit, alle offiziellen Kontakte mit Athen würden bis zu den Neuwahlen Mitte Juni auf Eis gelegt.

Die Führer der Traditionsparteien, der Konservativen und der Sozialisten, hoffen darauf, dass im zweiten Durchgang aus dem Protestvotum gegen den Sparkurs eine Wahl der Vernunft wird – eine Volksabstimmung für Europa, den Euro und den Reformkurs. Alexis Tsipras und sein Bündnis der radikalen Linken (Syriza) erwarten dagegen noch mehr Zulauf. Mehrere Meinungsumfragen sehen Syriza bereits als stärkste Partei.

Tsipras will den Sparpakt aufkündigen, aber am Euro festhalten. Er gaukelt den Griechen vor, man könne beides unter einen Hut bringen. Seine Partei will nicht nur die bereits beschlossenen Sparmaßnahmen zurückdrehen, sondern auch die Kreditverträge für null und nichtig erklären und den Schuldendienst einstellen: „Für uns gibt es keine Schulden“, sagt der Syriza-Politiker Manolis Glezos. Dass die Euro-Staaten unter diesen Voraussetzungen weitere Hilfsgelder nach Athen überweisen, ist wenig wahrscheinlich. Bereits vergangene Woche stoppte die EU wegen des politischen Vakuums in Athen die Überweisung von einer Milliarde Euro. Die Ratingagentur Fitch stufte Griechenlands Kreditwürdigkeit am Donnerstag weiter herab. Doch ohne Kredite kann das Land nur wenige Wochen überleben. Im diesjährigen Haushalt stehen geplanten Ausgaben von rund 100 Milliarden Euro nur erwartete Einnahmen von 84,7 Milliarden gegenüber. Schon jetzt sitzt der Staat auf unbezahlten Rechnungen von über sechs Milliarden Euro. Überdies bleiben die Steuereinnahmen weit hinter den Erwartungen zurück. Spätestens im Juli kann der Finanzminister keine Gehälter und Renten mehr zahlen.

Viele Griechen glauben nicht an dieses Szenario oder es ist ihnen gleichgültig. Mehr als eine Million Griechen sind arbeitslos. Nur jeder Dritte bekommt Arbeitslosengeld, das gerade von 461 Euro auf 360 Euro gekürzt wurde. Gezahlt wird es maximal ein Jahr, danach ist Schluss. Sozialhilfe oder eine Grundsicherung wie Hartz IV gibt es nicht. Fast 700 000 Griechen haben kein eigenes Einkommen mehr. Diese Menschen dürfte eine Staatspleite kaum schrecken.

Besonders die Radikallinken spekulieren darauf, dass die Europäer in jedem Fall weiter zahlen werden. Denn die Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Gläubigern belaufen sich auf 365 Milliarden Euro, darunter 75 Milliarden Euro gegenüber der Europäischen Zentralbank. Bei einer Staatspleite müssten die Gläubiger diese Schulden abschreiben. Allein Deutschland könnte ein Bankrott Griechenlands bis zu 100 Milliarden kosten.

Im Falle einer Staatspleite müsste Athen den Euro aufgeben. Die Menschen würden rasch noch Euro ins Ausland schaffen oder unter der Matratze verstecken, das Bankensystem folglich rasch zusammenbrechen. Volkswirte erwarten, dass die neue Drachme gegenüber dem Euro um 50 Prozent abgewertet würde. Die Umstellung wäre also eine Massenenteignung der Bevölkerung. Die zu erwartende Hyperinflation würde die Kredite enorm verteuern und den Wert der Währung immer weiter aushöhlen. Die Staatsschulden würden mindestens auf das Doppelte der Wirtschaftsleistung ansteigen. Griechenland dürfte Schwierigkeiten bekommen, Treibstoffe, Arzneien und Nahrungsmittel zu importieren. Zugleich würde die Wettbewerbsfähigkeit kaum gesteigert, denn Griechenland produziert wenig Exportwaren.

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