zum Hauptinhalt
Geistlicher Würdenträger mit politischer Mission: Patriarch Bechera Rai.

© dpa

Béchara Boutros Raï, Geistlicher aus dem Libanon: "Der Westen muss militärische Konflikte vermeiden"

Der maronitische Patriarch setzt sich bei seinem Berlin-Besuch für Flüchtlinge im Nahen Osten ein. Die Diplomatie dafür musste er erst lernen. Ein Porträt.

Im Libanon, sagt Béchara Boutros Raï und hebt den Finger, im Libanon seien Religion und Staat getrennt, „aber alle Religionen werden respektiert“. Mit seiner tiefen, heiseren Stimme fügt er hinzu: „Und das ist schön.“ Lächelnd verschränkt er die Arme vor der Brust.

Als Patriarch der mit Rom unierten maronitischen Kirche ist Raï Oberhaupt von rund einer Million Gläubigen im Libanon, einem Viertel der Gesamtbevölkerung. Im konfessionell geprägten politischen System des Landes, in dem Maroniten den Präsidenten und ein Viertel der Abgeordneten stellen, kommt ihm damit trotz der angeblichen Trennung politischer Einfluss zu.

Raï kämpft um die Stabilität des kleinen Landes. Die sieht er in Gefahr, seit zusätzlich noch rund zwei Millionen Flüchtlinge dort leben – hauptsächlich Syrer, aber auch Palästinenser und Iraker. Die Zahl syrischer Schulkinder sei genauso hoch wie die der libanesischen, sagt er. Am Tag vor den Anschlägen von Paris tötete die Terrormiliz „Islamischer Staat“ mit Bombenanschlägen in Beirut mehr als 40 Menschen. Der Libanon brauche Unterstützung, sagt Raï, auch damit die Christen im Land eine Zukunft hätten. Aber: „Militärische Konflikte muss der Westen um jeden Preis vermeiden.“ Sonst zahlten wiederum die Christen in der Region den Preis.

Geistlicher Würdenträger mit politischer Mission: Patriarch Bechera Rai.
Geistlicher Würdenträger mit politischer Mission: Patriarch Bechera Rai.

© imago/Horst Galuschka

Rai zog sich schon den Zorn von der Hisbollah und von Barack Obama zu

Um Hilfe bitten, aber ja nicht zu viel – das diplomatische Balancieren zwischen den vielen Fallstricken der Nahostpolitik musste der 75-jährige Raï erst lernen. Kurz nachdem er 2011 Nachfolger des antisyrischen Nasrallah Sfeir wurde, brachte er viele libanesische Christen und auch US-Präsident Barack Obama gegen sich auf: Er hatte gesagt, dass die israelfeindliche Hisbollah-Miliz ein Recht auf Waffen habe. Mit der Hisbollah wiederum geriet er über Kreuz, als er 2014 in deren Augen die „historische Sünde“ beging, nach Israel reiste und dort libanesische Maroniten traf, die früher auf israelischer Seite gegen die Hisbollah kämpften.

In jeder Ehe gibt es Streit

Sein Argument damals: „Ich fahre nach Hause. Maroniten waren in Galiläa und Haifa, lange bevor es Israel gab.“ Seit 2000 Jahren lebten Christen im Nahen Osten, und seit 1400 Jahren teilten sie sich die Region mit den Muslimen – zwar nicht immer konfliktfrei, „aber in jeder Ehe gibt es mal Streit“. Die Kultur des Zusammenlebens möchte er erhalten, und darum dringt er auf ein stärkeres internationales Engagement in Syrien, damit auch die muslimischen Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false