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Politik: Beckstein auf türkisch

Zeitungen zitieren Bayerns Innenminister: Im Falle eines Wahlsieges der Union soll die Visumpflicht gelockert werden

Von Susanne Güsten, Istanbul

Im Kampf um die Stimmen der rund 500 000 türkisch-stämmigen Wähler bei der Bundestagswahl hat die Union einen Coup gelandet: Türkische Zeitungen berichteten am Freitag, der bayerische Innenminister Günther Beckstein wolle im Falle eines Wahlsieges die Visumpflicht für Türken abschaffen. Als Bundesinnenminister wolle er Verwandtenbesuche erleichtern und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Türken in Deutschland beitragen. Am Freitag stellte Beckstein indes in München klar, die Türkei solle in Verhandlungen mit der EU auf Erleichterungen im Visumbereich etwa bei Verwandtenbesuchen zielen. „Eine Erleichterung wäre sicher im Interesse der Menschen“, erklärte er. Nach Einschätzung türkischer Beobachter in Deutschland könnte Becksteins Versprechen einen starken Eindruck auf die türkisch-stämmigen Wähler machen, die bisher fast ausschließlich von SPD und Grünen umworben wurden.

Beckstein wurde mit seinem Wahlversprechen von zwei ganz unterschiedlichen türkischen Zeitungen zitiert, der nationalistischen Massenzeitung „Hürriyet“ und dem konservativ-religiös orientierten Qualitätsblatt „Zaman". „Hürriyet“ berief sich auf ein Abendessen Becksteins mit den Frankfurter Korrespondenten des Blattes. Das Versprechen auf Aufhebung der Visumpflicht machte Bayerns Innenminister demnach im Verlauf seines dreistündigen Gesprächs mit den Reportern. „Zaman“ berief sich im Bericht seines Bonner Korrespondenten auf ein eigenes Gespräch mit Beckstein.

Bisher benötigen türkische Staatsbürger für die Einreise nach Deutschland ein Visum, das nur mühsam zu beschaffen ist. Antragsteller müssen sich zu einer deutschen Vertretung in der Türkei begeben, wo sie oft den ganzen Tag anstehen. Das sei entwürdigend für die Türken und beschämend für Deutschland, sagte Beckstein in „Hürriyet": „Ich schäme mich für diese Praxis.“ In „Zaman“ wies er darauf hin, dass ein Türke aus Antalya zum nächsten deutschen Generalkonsulat im fast 500 Kilometer entfernten Izmir reisen müsse, um dort stundenlang nach einem Visum anzustehen. Das mache es den Menschen sehr schwer, ihre Verwandten in Deutschland zu besuchen. „Dieses Problem müssen wir lösen“, sagte Beckstein.

Mit diesem Vorstoß in türkischen Medien versucht die Union nun offenbar, das Handicap zu kompensieren, das sie bei den türkisch-stämmigen Wählern wegen ihrer Ablehnung einer Aufnahme der Türkei in die EU hat. „Ich bin gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei“, bekräftigte Beckstein in „Zaman". „Niemand in Europa ist dafür, nur sagt das keiner offen.“ Viel wichtiger als diese politische Debatte finde er es, die Alltagsprobleme der Türken in Europa zu lösen. Wegen ihrer Unterstützung einer türkischen EU-Mitgliedschaft galt bisher die SPD als Favoritin der türkisch-stämmigen Wähler. Die Wählergruppe wird von Rot-Grün stark umworben.

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