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Politik: Becksteins türkische Fans

In Ankara ist die Idee von Bayerns Innenminister populär, die Visumpflicht aufzuheben. Trotz des Andrangs am Konsulat glaubt kaum jemand, dass das Realität wird

Von Thomas Seibert, Istanbul

In der Schlange vor der Visumsstelle des deutschen Generalkonsulates in Istanbul hat der bayerische Innenminister Günther Beckstein viele Anhänger. „Natürlich ist das demütigend“, sagt die 25-jährige Esra Akier, die mit ihrer Kusine Sevgi Alat ansteht, weil sie einen Verwandten in Bonn besuchen wollen. Zum fünften Mal sprechen die Frauen bei den deutschen Beamten vor, sagen sie. Um von ihrer Heimatstadt Izmit rechtzeitig vor dem Istanbuler Konsulat zu sein, stehen sie gegen halb fünf auf. Sie freuen sich über Becksteins Vorschlag, den Visumzwang für Besuchsreisen von Türken aufzuheben. Die Szene vor der Visumsstelle erklärt, warum: Die Schlange zieht sich eine Seitenstraße des Konsulats in der Innenstadt hinauf. Ehrverletzend für die Türken sei die derzeitige Visumsregelung, sagte Beckstein den Zeitungen „Hürriyet“ und „Zaman“, die von vielen Türken in Deutschland gelesen werden. Als Bundesinnenminister wolle er nach einem Wahlsieg für eine Aufhebung des Visumzwangs sorgen.

Das deutsche Generalkonsulat in Istanbul bearbeitet etwa 120 000 Visumsanträge pro Jahr und ist damit hinter Moskau und Kiew die Nummer drei der deutschen Auslandsvertretungen. Das Konsulat arbeitet an der Kapazitätsgrenze. Die deutsche Botschaft in Ankara und das Konsulat in Izmir kommen zusammen auf zusätzliche 140 000 Anträge. Das bedeutet, dass jährlich über eine Viertelmillion Türken einen Besuch in Deutschland beantragen. Die Ablehnungsquote in Istanbul ist mit zwölf Prozent niedrig. Die rot- grüne Regierung hält ihre Beamten in der Türkei an, die Regeln großzügig auszulegen und Verwandtenbesuche so weit es geht zu ermöglichen. Doch auch unter Rot-Grün müssen die Beamten darauf achten, dass sich niemand ein Visum erschwindelt.

Nirgendwo wird man so häufig angelogen wie im Visums-Geschäft, lautet eine Faustregel deutscher Diplomaten. Unter den Wartenden vor dem Konsulat gibt es bei einigen sogar Verständnis für die vielen Rückfragen der Beamten. „Die machen es schwer für uns, aber sie haben Recht“, sagt der Ingenieur Bulak Karabel. Es sei schwierig, zwischen Besuchern und jenen zu unterscheiden, die ihr Besuchsvisum nutzen wollen, um für immer in Deutschland zu bleiben. „Ohne Visumspflicht würden sofort Millionen von Türken nach Deutschland gehen", sagt er. Karabel ist sicher, dass Beckstein mit seiner Forderung nur die Stimmen der rund 500 000 türkischstämmigen Wähler in Deutschland im Visier hatte. „Wir werden noch mindestens zehn Jahre lang Visa brauchen“, glaubt er.

Dem Beamten Mustafa kann es nicht schnell genug gehen mit der Abschaffung. Er wartet außerhalb der Schlange auf seine Frau, die zur Hochzeit ihrer Schwester nach Hannover reisen möchte. „Das ist nicht nur für die Türken erniedrigend hier, das wäre für alle Menschen so“, sagt er und zeigt auf die Wartenden: „Es ist eine Schande.“

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