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Zusammen versuchen Merkel und Schröder das Betreuungsgeld gegen den Widerstand in der Regierung durchzusetzen.

© dapd

Beginn der Beratungen im Bundestag: Abrüstungsverhandlungen im Betreuungsgeld-Streit

Die Kanzlerin versucht, die Kritiker der geplanten Leistung für Familien zu überzeugen. Die Stimmung ist derart aufgeheizt, dass erfahrene Parlamentarier ein Scheitern am Freitag im Bundestag für denkbar halten.

Von Robert Birnbaum

Wie es so war bei der Kanzlerin? „Gut“, sagt eine der fast 50 Frauen der CDU/CSU-Fraktion, die am Donnerstag Besuch von Angela Merkel hatten. „Es war ein offenes Gespräch“, ist auch das Einzige, was der Chefin der Frauen-Union, Maria Böhmer, nach dem Treffen amtlich zu entlocken ist. Die Zurückhaltung ist nicht nur dem Brauch geschuldet, dass man über interne Treffen mit der Chefin nicht leichthin plaudert. Viel entscheidender ist, dass sich das Gespräch um das Betreuungsgeld drehte und damit um das heikelste Thema, das die schwarz-gelbe Koalition derzeit zu bieten hat. Derart aufgeheizt ist die Stimmung, dass erfahrene Parlamentarier ein Scheitern im Bundestag ernsthaft für denkbar halten. Doch nach dem Treffen ist klar: Man bemüht sich auf beiden Seiten der Barrikade um Abrüstung.

Gerade die lautesten Kritiker schweigen zur Sache. Rita Pawelski erinnert nur an die alte Weisheit, dass noch kein Gesetz den Bundestag so verlassen habe, wie es reingekommen sei. Merkel stellt die Abrüstung ihrerseits symbolisch dar: Die Kanzlerin verlässt die Gesprächsrunde mit zwei Ministerinnen an ihrer Seite – Kristina Schröder, die als Familienministerin den Entwurf zum Betreuungsgeld verantwortet und auch sonst dafür ist, und Ursula von der Leyen, die als Arbeitsministerin nicht zuständig und ansonsten eher dagegen ist. Ausgerechnet Leyen könnte aber diejenige sein, die mit dafür sorgen muss, dass die Koalitionsmehrheit in zwei Wochen dann doch steht. Denn eine Besserstellung von Müttern in der Rente, eventuell als Riester-Zuschuss, ist eins der angesprochenen Kompromissmodelle.

Es ist nicht das einzige. Die unionsinternen Kritiker des Betreuungsgelds haben auch Vorschläge ins Spiel gebracht, die Sonderleistung für daheim Erziehende auch solchen Eltern zu gewähren, die ihre Kinder nur zeitweise in eine öffentlich geförderte Betreuung geben.

Das würde vor allem Frauen in Teilzeitjobs betreffen. Merkel hatte allerdings schon am Dienstag in der Fraktionssitzung skeptisch reagiert: Ein solches Modell würde ja bedeuten, dass diese Familien doppelt von öffentlicher Förderung profitierten. Nicht gesagt hat sie, dass es auch koalitionspolitisch brisant sein könnte. CSU- Chef Horst Seehofer hat sich derart oft und laut darauf festgelegt, dass es keine und aber gar keine Änderung an seinem aktuellen Lieblingsprojekt geben dürfe, dass die CDU-Chefin mit ziemlichem Ärger rechnen müsste.

Auch aus der FDP-Fraktion kommt Kritik - auch an Rösler

Das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken, ist umstritten.
Das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken, ist umstritten.

© dpa

Den will Merkel ausdrücklich nicht. In der Fraktionssitzung hat sie die Kritiker deshalb daran erinnert, dass die Kita-Garantie bis 2013 nur um den politischen Preis durchgesetzt werden konnte, dass es ab demselben Jahr auch ein Betreuungsgeld geben solle. Das ist zwar ein formales Argument, aber koalitionspolitisch ein relativ starkes: Verträge sind einzuhalten. Deshalb bewegen sich Kompromissüberlegungen sozusagen neben dem Betreuungsgeld-Gesetz her. Dort stören sie die CSU nicht: Solange es keinen Eingriff in das Betreuungsgeldgesetz bedeute, könne man über manches reden, signalisierte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt erneut.

Das geschieht jetzt nach dem Treffen in kleinerem Kreis weiter. Politisch vom Eis ist das Projekt damit für die Koalition noch nicht, über das der Bundestag am Freitag zum ersten Mal im Plenum debattiert. Zumal es beim kleinen Partner FDP nicht nur ebenfalls etliche Kritiker aus Sachgründen gibt, sondern auch mindestens zwei, die den Streit zu taktischen Zwecken nutzen.

Der eine ist der Generalsekretär. Seit sich in der Union 23 Abgeordnete in einem Schreiben an ihren Fraktionschef als Skeptiker outeten, lässt Patrick Döring wissen, dass die FDP an dem Vorhaben nicht hänge. Am Donnerstag kann die CSU ausgerechnet in der „Passauer Neuen Presse“ lesen, dass Döring noch einmal über eine Gutschein-Lösung reden will – ein Modell, das selbst in der Union niemand mehr verfolgt – und dass es außerdem doch eine gute Sache wäre, wenn jedes Land für sich entscheiden könnte, wie es das Betreuungsgeld ausreicht. „Da kann doch kein Ministerpräsident etwas dagegen haben!“, sagt Döring treuherzig. Davon, dass das Gesetz damit vermutlich zustimmungspflichtig im Bundesrat würde, wo es nie und nimmer eine Mehrheit fände – von diesem Pferdefuß seiner Idee will der FDP-General nichts wissen.

Der andere Kritiker hat sich in der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet: Dörings Vorgänger Christian Lindner. Der Parteivorstand in Nordrhein-Westfalen , berichtete der neue Landesvorsitzende, habe sich einstimmig gegen das Betreuungsgeld ausgesprochen. Deshalb könne er, der noch bis 10. Juli sein Mandat im Bundestag wahrnimmt, nicht zustimmen. „Mit Geld, das wir nicht haben, soll eine soziale Wohltat finanziert werden, die niemand will“, kritisierte Lindner. Der Bundesvorsitzende der Liberalen, Philipp Rösler, müsse mindestens dafür sorgen, dass dafür keine Schulden aufgenommen würden. Rösler hat das genau richtig verstanden: als Angriff des Hoffnungsträgers auf den Amtsinhaber, also ihn.

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