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Politik: Bei Anruf Spionage

Nach Abhörskandal in Italien 21 Festnahmen

Die Ermittlungen der Staatsanwälte rücken Marco Tronchetti Provera, den frisch zurückgetretenen Chef der Telecom Italia, ins Zwielicht: Sein Unternehmen soll ein illegales Spionagenetz aufgezogen haben. 18 Personen kamen in Untersuchungshaft, gegen drei wurde Hausarrest verhängt, gegen weitere vier wird ermittelt. Die Vorwürfe: gravierende Verletzungen von Datenschutz und Privatsphäre, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption. Italienische Politiker, Kommentatoren und Wirtschaftsmanager äußern sich entsetzt und sprechen von einem „Anschlag auf die Demokratie“.

Mit ihren technischen Mitteln, die sie der Polizei auch für legale Ermittlungen zur Verfügung stellte, soll das „Sicherheitsbüro“ des italienischen Telefon-Marktführers auch in eigenem Interesse spioniert haben. Überwacht wurden, so die Mailänder Staatsanwaltschaft, an die zehntausend Italiener – Konzernchefs, Bankmanager und Sportfunktionäre, Politiker, Journalisten, Künstler und Showstars, Konkurrenten und sogar eigene Geschäftspartner wie die Familie Benetton, Vertriebsfirmen und Zulieferer, nicht zuletzt Personen, die sich auf eine Stelle bei der Telecom oder beim Reifenmulti Pirelli bewarben. Denn beide Unternehmen hörten auf das Kommando von Provera. Der Sicherheitschef der Telecom, Giuliano Tavaroli, arbeitete bei den Abhöraktionen eng mit einer privaten Detektei aus der Toskana zusammen – die angeblich 20 Millionen Euro Honorar wurden über karibische Steuerparadiese und helvetische Tarnkonten von Mailand nach Florenz geschleust.

Politisch weit bedenklicher indes erscheinen die jahrelangen, engen Kontakte Tavarolis zum Militärgeheimdienst Sismi und zu dessen Vizechef Marco Mancini, der kürzlich wegen einer zunächst ganz andersartig erscheinenden Affäre festgesetzt worden ist: Der Sismi soll der amerikanischen CIA im Februar 2003 geholfen haben, einen radikalen Mailänder Imam ins Ausland zu entführen. Im Vorfeld bediente sich der Militärgeheimdienst offenbar auch des Abhörnetzes der Telecom. Erst im Juli hat sich der frühere Sicherheitschef der Telecom-Mobilfunktochter TIM von einer Autobahnbrücke in den Tod gestürzt. Auch gegen ihn als Mitarbeiter Tavarolis war ermittelt worden.

Die nunmehr Verhafteten sollen nicht nur Telefonverbindungen angezapft, sondern auch E-Mails, Bankverbindungen und das Privatleben der „Zielobjekte“ ausgespäht haben. Neben den drei „Sicherheitschefs“ von Telecom/Pirelli gehören zu den Beschuldigten auch Carabinieri sowie Beamte der Staats- und der Finanzpolizei, die gegen Honorar in den jeweils hausinternen Datenbanken, in Melde- und Strafregistern geschnüffelt haben sollen.

In ihrem Bericht hält die Mailänder Untersuchungsrichterin fest, das rechtswidrige Spionagenetz habe so viele Informationen gesammelt, dass „Geheimdienste neidisch werden könnten“. Der Zweck sei zwar nicht geklärt. Die „flächendeckenden Überwachungen“ aber hätten einer „kleinen Gruppe von Personen ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem sie Druck, Bestimmungsmacht, Drohungen, wenn nicht sogar Erpressung ausüben konnten“.

Einer „kleinen Gruppe von Personen“? An anderer Stelle schreibt die Richterin: Tavaroli als Sicherheitschef der Telecom sei „nur dem Präsidenten gegenüber“ verantwortlich gewesen, Marco Tronchetti Provera also. Dessen Name indes taucht im offiziellen Bericht zwar nicht auf. Aber in der Liste der 25 beschuldigten Personen ist die Nummer 20 geschwärzt.

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