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Politik: Beide stehen für den Posten des Parteichefs zur Verfügung - aber sagen wollen sie es nicht

"Ich verstehe die Frage ja", antwortet Angela Merkel. "Ungewissheit ist immer schwer zu ertragen.

"Ich verstehe die Frage ja", antwortet Angela Merkel. "Ungewissheit ist immer schwer zu ertragen. Aber die Ungewissheit ist einzige Möglichkeit für eine Meinungsbildung von unten nach oben." Volker Rühe sieht es ganz genauso: "Besser hätte ich es nicht sagen können. Deshalb schließe ich mich an." Unvermeidlich, dass die erste Frage an diesem Tag nur lauten konnte: "Frau Merkel, Herr Rühe stehen Sie für den Vorsitz zur Verfügung?" Die Generalsekretärin und der Ex-Spitzenkandidat aus Schleswig-Holstein sitzen brav zu beiden Seiten des Noch-Parteivorsitzenden. Pressekonferenz nach der Wahl und nach dem Bundesvorstand. Wolfgang Schäuble redet am meisten, über Verfahren, die neue Offenheit, die tiefe Krise. Und das respektable Wahlergebnis. Das verdankt die CDU Volker Rühe. Er ist mit sofortiger Wirkung wieder Bundespolitiker oder, wie er sagt, "in den Schoß der Fraktion zurückgekehrt". Rühe platziert die Botschaften eines erfolgreichen Wahlkämpfers. Merkel hält sich zurück und richtet ihren ernst-aufrechten Blick auf die Journalisten. Denn sie weiß: Der Tag nach der Wahl in Schleswig-Holstein gehört eher Rühe als ihr.

Merkel und Rühe haben auch nichts hinzuzufügen, als Schäuble die Fragen nach Mitgliederbefragung und Streitkultur beantwortet. "Überall", antwortet Schäuble, als einer wissen will, wo denn eigentlich die Personaldiskussion geführt wird. Die Frage liegt nahe, denn auch die Regionalkonferenzen sollen kein "Schaulaufen der Kandidaten" (Schäuble) sein. An diesem Montag scheint alles möglich, inklusive offener Gegenkandidaturen auf dem Parteitag im April.

Fest steht: Der Bundesvorstand hat das Verfahren bestätigt, das unmittelbar nach Schäubles Rückzug verabredet worden ist: eine Serie von Regionalkonferenzen, danach eine Bundesvorstandssitzung am 20. März, die zur Personalfrage Stellung nimmt. "Niemand ist verpflichtet oder gehindert zu erklären, ob er kandidieren will", sagt Schäuble. Und: "Bis zum Parteitag kann jeder Mann und jede Frau kandidieren." Unsicher ist also immer noch, in welcher Form am 20. März Klarheit geschaffen wird, ob ein Name oder ein Verfahren empfohlen wird.

Die Regionalkonferenzen sollen auf jeden Fall mehr Aufschluss bringen, hoffen die Parteistrategen. Am Montagabend bereits fand eine in Recklinghausen statt, am kommenden Wochenende folgt Berlin. Dabei bleibt die Berliner CDU ihrem Motto im Spendenskandal auch in der Kandidatenfrage treu: Bloß nicht einmischen! Doch das wird nicht funktionieren. Eigentlich will man sich erst nach der Regionalkonferenz positionieren, und es ist auch ein offenes Geheimnis, dass CDU-Landeschef Diepgen Volker Rühe für den Vorsitz favorisiert. Er nennt dessen Wahlergebnis in Schleswig-Holstein "respektabel". Doch solche Äußerungen sagen wenig darüber aus, was die CDU-Basis in Berlin über die Schäuble-Nachfolge denkt. Viele Parteimitglieder, nicht nur in den Ost-Bezirken der Stadt, wünschen sich Angela Merkel als neue Bundesvorsitzende. Es wäre nicht überraschend, wenn sich demnächst auch der Landesvorstand und -ausschuss mehrheitlich für Merkel entscheidet.

Fest steht unabhängig von Berlin aber auch, dass Volker Rühe in den Parteigremien Rückhalt gefunden hat für seine Interpretation des Wahlergebnisses. Stabilisierung laute das "Signal von Kiel". Er werde im Mai aus Nordrhein-Westfalen über "the rebirth of the CDU", die Wiedergeburt der CDU, berichten, ruft Rühe einem amerikanischen Korrespondenten kraftvoll zu. Bei der Kandidatenfrage bleibt er zugeknöpft. Ja, er wird am Dienstag für den Stellvertreterposten in der Fraktion kandidieren. Eine hypothetische Frage, ob sich das mit dem Parteivorsitz vertrüge. "Auf hypothetische Fragen soll man keine Antwort geben. Soweit denke ich nicht."

Und fest steht natürlich, dass die unerklärten Konkurrenten um den Parteivorsitz Volker Rühe und Angela Merkel heißen. Die Generalsekretärin wird von Amts wegen in den nächsten Wochen durch die Regionalkonferenzen der Partei reisen. Rühe sagt am Montag in eine Fernsehkamera: "Sie reden alle über Dinge, über die ich nicht rede."

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