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Politik: Beihilfe zur Verschleppung?

Der italienische Militärgeheimdienst Sismi soll der CIA geholfen haben – die Regierung sagt, sie habe nichts gewusst

Am 17. Februar 2003, mitten in Mailand, mitten am Tag, wird der Imam Abu Omar auf offener Straße entführt. CIA-Agenten verschleppen den „fundamentalistischen Hitzkopf“ über Ramstein zur Folter in ein ägyptisches Spezialgefängnis. Italiens Regierungen – damals Berlusconi, jetzt Prodi – behaupten bis heute, Rom habe von den illegalen Machenschaften nichts gewusst; beteiligt sei Italien schon gleich gar nicht gewesen.

Um diese Behauptung zu stützen, hat der italienische Militärgeheimdienst Sismi über drei Jahre hinweg wohl eine konsequente Verschleierungs- und Desinformationskampagne betrieben. Er hat offenbar auch zwei Redakteure der rechtsgerichteten Zeitung „Libero“ angeworben, um über sie – „IM Birke“ – herauszubekommen, wie weit die als feindlich betrachtete Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen war. Der Sismi soll diesen Journalisten sogar die Fragen diktiert haben, die sie dem unerschrockenen Mailänder Staatsanwalt Armando Spataro stellen sollten.

Gleichzeitig beschattete der Sismi zwei Journalisten aus dem linken Lager und hörte deren Telefone in illegaler Weise ab. Die in Geheimdienstaffären sehr bewanderten Redakteure der Tageszeitung „La Repubblica“ hatten ihrerseits versucht, die Verwicklung Italiens in den Entführungsfall Abu Omar aufzuklären und zu belegen. Um seine Dossiers zu sammeln, zu sichten und um seine Kampagnen zu steuern, richtete der Sismi sogar ein eigenes Büro mitten in Rom ein.

Bekannt geworden ist dies im Zuge zweier Aufsehen erregender Verhaftungen: Am Mittwochmorgen hatten Sondereinheiten der Polizei die „Nummer 2“ des Militärgeheimdienstes und seinen früheren Chef festgesetzt, Marco Mancini und Gustavo Pignero. Vier weitere Sismi-Offiziere wurden zum Verhör vorgeladen. Angelastet wird ihnen das „Zusammenwirken zur Entführung einer Person“ sowie „Missbrauch der Amtsgewalt“.

Haftbefehl erging ferner gegen vier US-amerikanische Geheimdienst- und Militär-Funktionäre; diese aber waren nicht aufzufinden – ebenso wenig wie jene 22 CIA-Agenten, die Staatsanwalt Spataro als die Entführer Abu Omars betrachtet, gegen die aber schon die Regierung Berlusconi aus politischen Gründen keine internationalen Haftbefehle zugelassen hatte.

Seit einem Geständnis Anfang Juni weiß man indes, dass nicht ein CIA-Agent, sondern ein italienischer Carabiniere den Imam auf seinem Weg zur Moschee gestoppt und unter dem Vorwand einer Ausweiskontrolle in die Nähe eines weißen Lieferwagens gedrängt hatte. In diesen hinein zerrten ihn dann die Amerikaner.

Die Verteidigungslinie der Carabinieri war bisher, ihr Kollege habe unbedingt eine Geheimdienstkarriere machen wollen und sich von der CIA auf eigene Faust anwerben lassen. Aus einem zweiten Geständnis und der Abhörung von Sismi-Telefonaten schließt die italienische Polizei jetzt allerdings, dass der Militärgeheimdienst bewusst eigene Leute in Mailand platziert hatte, um der CIA zu helfen. Dies soll das Werk der nunmehr verhafteten Spitzenagenten Mancini und Pignero gewesen sein; um dabei nicht gestört zu werden, hatten die beiden – den Ermittlungen zufolge – sogar den damaligen Mailänder Sismi-Regionalchef Stefano D’Ambrosio entmachtet. D’Ambrosio hatte aus rechtlichen Bedenken gegen einen Zugriff auf Abu Omar protestiert – und sah sich kurz vor der Entführung schlagartig nach Rom versetzt.

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