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Das treibt den Blutdruck: Die Beiträge der privaten Krankenversicherer steigen enorm.

© dpa

Beiträge zur Krankenversicherung: Für Privatversicherte wird es richtig teuer

Die Niedrigzinsen lassen die Beiträge der privaten Krankenversicherung in die Höhe schießen. Im Schnitt wird es für zwei Drittel der Versicherten um elf Prozent teurer.

Das war zu erwarten: Zum Jahreswechsel drohen den privat Krankenversicherten in Deutschland enorme Beitragserhöhungen. Für zwei Drittel der PKV-Kunden – immerhin rund sechs Millionen Menschen – werde sich die Absicherung im Schnitt um elf Prozent verteuern, heißt es in Branchenkreisen. Teilweise werde auch die 20-Prozent-Marke geknackt. Betroffene müssen somit gut 50 bis 100 Euro mehr abdrücken. Im Monat.

Hauptverantwortlich für den Beitragsschub sind die Niedrigzinsen. Denn ein großer Teil dessen, was die Versicherten in der PKV zu zahlen haben, fließt dort – anders als bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – auf die hohe Kante. Zuletzt beliefen sich die Altersrückstellungen der Privaten auf mehr als 200 Milliarden Euro. Da schlägt die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank mächtig ins Kontor.

PKV: Niedrigzinsen sind an allem schuld

Ohne dieses Problem wäre die Beitragsentwicklung auch an diesem Jahr unauffällig, behauptet der Direktor des PKV-Verbands Volker Leienbach. Was man nicht komplett glauben muss. Schließlich schießen auch die Behandlungskosten in Arztpraxen und Kliniken nach oben. Und die sind bei den Privaten mit ihren unbegrenzten Leistungsversprechen nun mal weit schwerer zu bremsen als in der GKV.

Diese Entwicklung treibt vor allem Unionspolitiker um, die das Doppelsystem – anders als SPD, Grüne und Linke – unbedingt erhalten wollen. Sie möchten den Versicherern auch unterjährige Beitragsanpassungen ermöglichen, um den Schockeffekt weg zu kriegen.

Dass der Beitragsaufschlag so happig ausfällt, liegt nämlich auch an einer gesetzlichen Regelung: Die Versicherer sind verpflichtet, jährlich die tatsächlichen Ausgaben mit den kalkulierten zu vergleichen. Erst bei einer Abweichung um mehr als zehn Prozent darf der Versicherer die Beiträge anpassen.

SPD: Wir sind nicht die Knechte der PKV-Lobby

Diese Vorgabe müsse verschwinden, fordern PKV und Unionspolitiker unisono. Außerdem müsse die PKV eigene Verträge mit Ärzten und Kliniken abschließen dürfen, forderte Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU). Doch der Koalitionspartner bockt. „Wir sind nicht die Knechte der PKV-Lobby“, sagte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach. „Diese Zeiten sind vorbei.“ Eine SPD, die für die Bürgerversicherung und die Abschaffung der PKV trommle, mache sich unglaubwürdig, wenn sie jetzt „Rettungspakete für die Privatversicherung“ schnüre.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Kathrin Vogler sieht das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungen am Ende. "Jetzt zeigt sich überdeutlich, dass ein solidarisch finanziertes und auf Umlage basierendes gesetzliches Versicherungsmodell nachhaltiger ist als das der Privatversicherung, das auf Kapitalmarkt und Zinserträge setzt“, sagte sie.

Grüne kritisieren System der Beamten-Beihilfe

Die Grünen wiederum kritisieren, dass Beamte in der PKV faktisch pflichtversichert werden. Theoretisch könnten sich diese zwar auch gesetzlich absichern, würden dadurch aber ihre Beihilfe verlieren.

Den Steuerzahler kommt das teuer: Momentan sind nach Angaben des Beamtenbundes nur acht Prozent der Staatsdiener gesetzlich versichert. Gleichzeitig stellen Beamte rund die Hälfte der privat Versicherten. Und die Beihilfe-Ausgaben des Bundes haben sich in 20 Jahren mehr als verdoppelt: von 719 Millionen auf 1,42 Milliarden.

Kleine Selbständige kostet die PKV oft mehr als die Hälfte ihrer Einkünfte

Dennoch gehen die Beitragserhöhungen gerade den vielen kleinen Beamten immer mehr an die Substanz. Und kleine Selbständige haben damit wegen des fehlenden Arbeitgeberanteils ein noch größeres Problem. So haben Hochrechnungen auf Basis des sozioökonomischen Panels ergeben, dass die Geringverdiener unter den Selbständigen bei der PKV inzwischen 58 Prozent ihrer Einkünfte für die Krankenversicherung aufzuwenden haben. Bei schwankender Auftragslage ein enormes Risiko.

Die Stiftung Warentest hat es bereits in Euro und Cent durchgerechnet: Entgegen aller Werbebotschaften aus der Branche lässt sich auf längere Sicht durch ein Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung kein Geld sparen. Angestellte und Selbstständige sollten sich nur privat krankenversichern, wenn sie für ihre Beiträge im Alter eine sechsstellige Summe zurücklegen könnten.

Der Bund der Versicherten (BdV) forderte von den Privatversicherern eine andere Prämienberechnung. Um extreme Beitragssprünge zu vermeiden und damit auch die Bezahlbarkeit im Alter zu garantieren, sei es "zwingend erforderlich, dass die Branche umdenkt und die Inflation und den medizinischen Fortschritt einkalkuliert", sagte Vorstandssprecher Axel Kleinlein. „Dies führt zwar zu höheren Einstiegsprämien, aber der Verbraucher muss dann nur mit moderat steigenden und kalkulierbaren Prämien rechnen.“

GKV-Beiträge von 24,5 Prozent bis 2040

Probleme gibt es aber auch im gesetzlichen System. Dort rechnet der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, wie er am Donnerstag bekannt gab, ebenfalls mit kräftigen Beitragssteigerungen. Statt der derzeitigen 15 bis 16 Prozent (inklusive Zusatzbeiträgen) erwarten die Experten bis 2040 einen Satz von 24,5 Prozent.

„Wir brauchen mehr Effizienz und mehr Wettbewerb“, sagte Beiratsmitglied Friedrich Breyer, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Konstanz. Die Kassen müssten mehr Freiheiten für Verhandlungen mit Kliniken und Ärzten erhalten. Und für Krankenhäuser dürfe es künftig keine Existenzgarantien mehr geben.

Experten hoffen weiter auf "Kopfpauschale"

Zudem hegen die Experten nach wie vor Sympathien für eine „Kopfpauschale“: Statt des lohnbezogenen Arbeitnehmerbetrags schlagen sie eine kasseneinheitliche Gesundheitsprämie mit steuerfinanziertem Sozialausgleich für Geringverdiener vor. Zuletzt hatte das, nachdem die Union davon abgerückt war, nur noch die FDP gefordert.

Die Erfahrungen mit den Zusatzbeiträgen zeigten, dass die Menschen nur dann auf Preisentwicklungen reagierten, wenn der Beitrag in Euro und Cent und nicht in Prozentpunkten angegeben wird, sagte Breyer. Das gab es auch schon mal, es wurde aber in dieser Legislatur wieder abgeschafft. Kassen, die damals als erste Zusatzbeiträge von acht Euro im Monat eingeführt hätten, seien damals „mächtig unter Druck geraten“, erinnerte Breyer.

Bei Arzneimitteln Kosten und Nutzen berücksichtigen

Um die Beitragszahler zu entlasten, sollte aus Beiratssicht auch neue, teure Arznei stärker unter die Lupe genommen werden. Bisher geht es bei den Verhandlungen mit den Kassen nur darum, ob die Innovation einen medizinischen Zusatznutzen bringt. Die Frage, wie teuer sie ist, spielt – anders als etwa in Großbritannien – keine Rolle. „Kosten und Nutzen müssen ins Verhältnis gesetzt werden“, forderte Breyer. Der Zusatznutzen sei oft marginal, die Zusatzkosten aber seien enorm.

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