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Politik: Belastetes Klima

In der Europäischen Union wird über die künftige Linie gegen die globale Erderwärmung gestritten

Berlin - In der Europäischen Union bahnen sich ernste Konflikte um die künftige Klimaschutzpolitik an. Wenn Deutschland zum 1. Januar 2007 die EU-Präsidentschaft übernimmt, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel hart darum kämpfen müssen, die Europäer auf neue ambitionierte Klimaziele einzuschwören. Der neueste Zwischenruf kommt von EU-Wettbewerbskommissar Günter Verheugen.

In einem offenen Brief an die EU-Kommission schrieb er, die EU solle sich nicht – wie sich das Umweltminister Sigmar Gabriel und die Kanzlerin wünschen – darauf einlassen, schon bis 2020 ein anspruchsvolles Klimaziel anzubieten. Merkel will sich während der EU-Präsidentschaft dafür einsetzen, dass sich die EU bis 2020 verpflichtet, 30 Prozent ihrer Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Verheugen schlägt vor, sich höchstens auf 15 Prozent einzulassen. Sein Argument: Die Strompreise könnten steigen. Gabriel sagte dem Tagesspiegel dazu: „Die Bundesregierung und der Bundestag haben eine andere Haltung. Wir werden darüber während der deutschen Ratspräsidentschaft kollegial sprechen.“

Allerdings sieht auch Verheugen, dass die EU langfristig massiv Kohlendioxid (CO2) einsparen muss. Zumindest nach 2020 spricht auch er sich für ambitioniertere Ziele aus. Allerdings steht er damit im Widerspruch zum früheren Chefökonomen der Weltbank und heutigen britischen Regierungsberater Nicholas Stern. Stern hat nachgewiesen, dass die Kosten für den Klimaschutz deutlich unter denen liegen, die entstehen, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht. Stern sieht ein Zeitfenster von zehn bis 15 Jahren, um die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts müsse der weltweite Ausstoß an Treibhausgasen um etwa 50 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, um eine globale Erwärmung um mehr als zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu vermeiden.

Zu dem Zwei-Grad-Ziel bekennt sich auch Verheugen. Sein Kollege, EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, weiß aber, dass die EU schon jetzt mehr tun muss, um auch nur das längst zugesagte Klimaziel aus dem Kyoto-Protokoll erfüllen zu können. Die EU muss ihren Treibhausgasausstoß bis 2012 um acht Prozent im Vergleich zu 1990 vermindern. Zwischen 1990 und 2004 sanken die Emissionen gerademal um 0,6 Prozent. Zwischen 2000 und 2004 stiegen sie sogar wieder um 2,4 Prozent. Viele EU-Staaten sind so weit ab vom Kurs, dass sie ihre Verpflichtungen kaum noch erfüllen können. Zu ihnen gehört Spanien, das eine Steigerung der Emissionen um 15 Prozent zugestanden bekam und derzeit bei plus 49 Prozent liegt, wie das UN-Klimasekretariat bekanntgab. Oder Österreich, das seine Emissionen um 13 Prozent mindern muss, aber bei plus 15,7 Prozent liegt. Bei der Genehmigung der nationalen Zuteilungspläne für den Emmissionshandel will Dimas diese Zahlen berücksichtigen. Im Zuge dieser angekündigten strengen Bewertung reichte ihm auch der deutsche Zuteilungsplan nicht aus, weil er zu viele Emissionsrechte an die Industrie vorsah. Das hat Sigmar Gabriel nun zwar korrigiert. Doch gleichzeitig kündigte er einen Konflikt darum an, wie lange Neuanlagen von Minderungszielen befreit werden. Gabriel argumentiert mit der Investitionssicherheit für die Konzerne. Dimas fürchtet um die Glaubwürdigkeit der EU. Die ist von Januar an auch Gabriels Problem.

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