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Politik: Beleidigter Staatschef

Polens ehemaliger Präsident Walesa liegt im Clinch mit Lech Kaczynski – ihm droht ein Strafverfahren

Polen hat einen neuen absurden Skandal: Gleich zwei Staatsanwälte müssen in diesen Tagen prüfen, ob das polnische Wort „duren“ ehrverletzend ist. Als „duren“ – zu Deutsch „Dummkopf“ oder auch „Einfaltspinsel“ – hatte Ex-Präsident Lech Walesa in einer Fernsehdiskussion seinen Namensvetter Lech Kaczynski bezeichnet. Der legendäre Danziger Arbeiterführer Walesa war zuvor in einem Regierungsbericht über den inzwischen von den Kaczynski-Zwillingen aufgelösten Militärgeheimdienst (WSI) für die teils kriminellen und angeblich staatsgefährdenden Machenschaften der WSI-Agenten verantwortlich gemacht worden.

Polens erste Nachwende-Regierung hatte es Anfang der neunziger Jahre versäumt, neben dem Inlandsgeheimdienst auch jenen der Armee zu de-kommunisieren. Bis heute sind deshalb in Moskau geschulte Kader in der polnischen Militärabwehr tätig. „Man kann von Unterlassungen sprechen, von falschen Prioritäten“, gab Walesa gegenüber dem Fernsehsender TVN24 zu.

„Aber wenn die Kaczynskis so schlau sind, weshalb haben sie sich damals nicht darum gekümmert?“, fragte Walesa, der den heutigen Präsidenten 1991 in seiner Kanzlei als Sicherheitsberater beschäftigt hatte. Dann fiel das böse Wort „Dummkopf“. Damit habe Walesa die Grenze dessen, was als Kritik erlaubt sei, überschritten, befanden zwei Abgeordnete der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) und reichten Strafanzeige wegen Beleidigung des Staatsoberhauptes ein. Artikel 135.2 des polnischen Strafgesetzbuches sieht dafür bis zu drei Jahre Haft vor. Allerdings ist seit der Wende niemand mehr deswegen bestraft worden.

Dies soll sich unter den schnell beleidigten Kaczynskis ändern. Erst vor kurzem war ein Obdachloser, der in der Gegenwart von Polizisten über Kaczynski geflucht hatte, landesweit steckbrieflich gesucht worden. Auch ein Rentner, der im Internet einen schlüpfrigen Entenwitz (der Familienname Kaczynski leitet sich im Polnischen von „kaczka“, zu Deutsch „Ente“, ab) verbreitet hatte, wurde vor Gericht zitiert. Beide Verfahren sind inzwischen eingestellt worden.

Lech Walesa allerdings dürfte so einfach nicht davonkommen. Denn seit Jahren tobt ein wüster Streit zwischen dem Solidarnosc-Helden und seinen einstigen Mitkämpfern. Ausgerechnet die Kaczynskis hatten Lech Walesa 1990 als Präsidentschaftskandidaten ihrer damaligen Partei „Zentrumsunion“ auf den Schild gehoben. Walesa bedankte sich bei den Zwillingen mit je einem Posten in seiner Präsidialkanzlei.

Doch später warfen die Zwillinge ihrem früheren Mentor Walesa Kungeleien mit den früheren kommunistischen Machthabern vor. Der heutige Premier Jaroslaw Kaczynski stellte sich Anfang der neunziger Jahre an die Spitze einer Protestbewegung, die öffentlich Walesa-Puppen verbrannte. „Walesa hat die Solidarnosc-Bewegung verraten!“, geifert nun Kaczynskis neuer Verteidigungsminister Aleksander Szczyglo. Der treue Gefolgsmann der Kaczynskis hat bereits angedroht, nicht nur Walesa, sondern auch dessen Nachfolger Kwasniewski, der Polen immerhin in die Nato geführt hatte, allenfalls wegen Amtsunterlassung beim WSI vor Gericht zu stellen. In diesem Fall käme Walesa mit drei Jahren Haft noch glimpflich davon. Er sei bereit, auch unter den Kaczynski-Zwillingen wieder ins Gefängnis zu gehen, sagt der ehemalige politische Häftling Walesa.

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