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Ein Polizistin winkt an einer Kontrollstelle Fahrzeuge, die aus Österreich kommen, für eine Kontrolle aus dem Verkehr.

© dpa

Belgiens Vorstoß und Schengen: Offene Grenzen sollten nicht dem Terror geopfert werden

Das Schengen-Abkommen wird geschleift – das zeigt ein neuer Vorstoß aus Belgien. Es ist ähnlich falsch konstruiert wie die Währungsunion. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fabian Leber

Einige sehen schon das „Ende Europas“ gekommen: Die belgische Regierung drängt darauf, dass Benutzer von Fernzügen und -bussen bei der Buchung in Zukunft ihre persönlichen Daten angeben müssen – so wie Flugreisende das tun müssen. Nun ist es gewiss überzogen, in einer solchen Maßnahme gleich einen Beleg für das Ende des freien Reiseverkehrs in der EU zu sehen. Das Schengener Abkommen, das zum Abriss der Wachhäuschen an den EU-Binnengrenzen führte, sah nie vor, dass Reisende sich Kontrollen völlig entziehen können. Im grenznahen Regionen zum Beispiel muss jederzeit damit gerechnet werden.

Ein Symbol für einen Richtungswechsel wäre die Datenerfassung aber schon – gerade wenn sie mit Belgien aus einem Gründerstaat der EU kommt, in dem Europas Hauptstadt liegt. Nicht erst seit den Brüsseler Attentaten im März 2016 sieht das Land sich mit einem erstarkenden Islamismus konfrontiert. Der schwer bewaffnete Attentäter in einem Thalys-Zug von Amsterdam nach Paris war am 21. August 2015 in Brüssel zugestiegen. Nur durch das mutige Eingreifen von Mitreisenden konnte damals ein Anschlag verhindert werden. Dieser Fall ist es wohl, der die belgische Regierung jetzt anleitet.

Kontrollen aus Terrorangst - oder Furcht vor einem neuen Flüchtlingszustrom

Eine Erfassung von Bahn- und Busreisenden wäre nach EU-Recht vermutlich zulässig. Dennoch zeugt die Idee der belgischen Regierung von Hilflosigkeit. Sie bestätigt eine schon bekannte Logik: Je weniger die Sicherung der EU-Außengrenzen gelingt, desto mehr wird im Inneren auf repressive Maßnahmen gesetzt. Belgien steht da nicht allein. Längst sind die eigentlich als Ausnahme vorgesehenen Kontrollen an Schengen-Grenzen zur Regel geworden – zwischen Deutschland und Frankreich zum Beispiel. Frankreich begründet sie mit Terrorangst, fünf andere EU-Staaten mit dem Flüchtlingszustrom von vor einem Jahr. Weil nach wie vor nicht klar ist, wie viele Migranten es über die südlichen EU-Grenzen schaffen, sollen so zumindest neue Hürden auf dem Weg in die nördlichen Mitgliedsstaaten errichtet werden.

Langsam, aber sicher wird das Schengener Abkommen geschleift. Es ist ein bisschen wie bei einem ähnlichen europäischen Vertrag, dem von Maastricht. Der wurde auch von EU-Staaten gebrochen, oder zumindest gedehnt, als es um die Schuldengrenzen im Zusammenhang mit dem Euro ging. Begründungen gab es dafür immer – auch im Falle Deutschlands, das rezessionsgeplagt 2002 die Neuverschuldungsgrenze brach.

EU-Staaten sind Problem und Lösung zugleich

Tatsächlich krankt das Schengen-Abkommen an einer ähnlichen Fehlkonstruktion wie die Währungsunion: Die Ausführung und Durchsetzung von Regeln wird den Mitgliedsstaaten überlassen, denn die zentrale Ebene, hier die EU-Grenzbehörde Frontex, ist zu schwach. Kein Wunder, dass die EU-Staaten sich lieber auf sich selbst verlassen. Doch sie sind Problem und Lösung zugleich.

Hinzu kommt: Schon jetzt werden viele Fahrscheine als E-Ticket gebucht, die Identität des Reisenden ist damit für den Bahnbetreiber ersichtlich, sofern es eine echte ist. Gleichzeitig hat gerade der Fall des Berliner Attentäters gezeigt, dass es möglich ist, unter mehreren Namen unterwegs zu sein. Der praktische Nutzen des Vorstoßes dürfte daher begrenzt sein – zumal wenn Anrainerstaaten wie Deutschland oder Frankreich nicht mitmachen sollten.

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