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Politik: Belgrad entläßt Vizepremier Draskovic / Tschernomyrdin startet neue Friedensinitiative

MOSKAU/BERLIN (Tsp).Bei der Suche nach einer Kosovo-Lösung ist am Mittwoch die Diplomatie wieder in den Mittelpunkt gerückt.

MOSKAU/BERLIN (Tsp).Bei der Suche nach einer Kosovo-Lösung ist am Mittwoch die Diplomatie wieder in den Mittelpunkt gerückt.Unter zentraler Beteiligung der UN und Deutschlands wurde in Moskau und Berlin darüber beraten, wie Rußland für eine UN-Friedenstruppe gewonnen werden kann.NATO-Generalsekretär Solana betonte, bis zum Einlenken Milosevics werde weitergebombt.Belgrad entließ Vizepremier Draskovic, der Kompromißbereitschaft signalisiert hatte.Die NATO mußte wieder einen "irrtümlichen Beschuß" einräumen: Statt einer Kaserne bombardierte sie ein Wohngebiet.

Nachdem den ganzen Tag über hochrangige Politiker in hektischer Reisediplomatie in Bonn und Moskau unterwegs waren, kam aus Belgrad die Nachricht von der Entlassung Draskovics.Dessen öffentliche Erklärungen stünden im Widerspruch zur Haltung der Regierung und gefährdeten den Respekt vor ihr, meldete Tanjug zur Entlassung durch Premier Bulatovic.Draskovic hatte eine Stationierung einer UN-Friedenstruppe unter NATO-Beteiligung nicht ausgeschlossen.

Am Nachmittag hatte Moskaus Sonderbotschafter Tschernomyrdin eine weitere Mission nach Bonn, Belgrad und Rom angekündigt.Zuvor hatte er in Moskau mit Verteidigungsminister Scharping konferiert.UN-Generalsekretär Annan und Bundeskanzler Schröder warnten nach Gesprächen in Berlin davor, schnelle Ergebnisse zu erwarten.Es werde "ein langer, schwieriger Prozeß", und "wir stehen noch am Anfang", sagte Annan.Er wollte am Abend nach Moskau fliegen.Am Freitag wird dort der Bonner Außen-Staatssekretär Ischinger erwartet.

Ziel der Bemühungen ist nach den Worten von Außenminister Fischer eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, die dazu führen könnte, daß in Jugoslawien "die Waffen schweigen".Die Staatengemeinschaft halte an ihren Forderungen fest, nach denen unter anderem das serbische Militär aus dem Kosovo abziehen, die Rückkehr aller Flüchtlinge gewährleistet sein und eine Friedenstruppe mit UN-Mandat zugelassen werden muß."Rußland wird dabei eine entscheidende Rolle zu spielen haben", so Fischer.Die persönlichen Begegnungen seien nötig, weil die Situation im Kosovo von aller Welt, auch außerhalb Europas und der USA, als "gefährlich" eingeschätzt werde, sagte Annan.Er wolle sich in Moskau darum bemühen, daß der UN-Sicherheitsrat wieder handlungsfähig und nicht weiter durch Uneinigkeit gelähmt werde.Er übte zudem deutliche Kritik an der NATO wegen der hohen Zahl ziviler Opfer in ganz Jugoslawien: "Der menschliche Preis der Gewalt ist unannehmbar hoch." Er berief den slowakischen Außenminister Eduard Kukan als einen der beiden diplomatischen Vermittler.

NATO-Generalsekretär Solana sieht bei den jüngsten Bemühungen um eine diplomatische Lösung des Kosovo-Konflikts "einige Fortschritte", und auch aus Belgrad kämen Anzeichen, "daß sich Dinge bewegen - hoffentlich in die richtige Richtung", hatte er am Nachmittag gesagt.Der serbische Präsident Milutinovic und der gemäßigte politische Führer der Kosovo-Albaner, Rugova, forderten nach Tanjug-Angaben die Schaffung einer Interimsverwaltung für das Kosovo unterzeichnet.Der jugoslawische Informationsminister Komnenic kritisierte, das Informationsministerium habe den Medien "verboten", seine Äußerungen und die Draskovica zu verbreiten.

Der Bonner PDS-Fraktionschef Gysi wandte sich in einem Brief an Milosevic.In dem siebenseitigen Schreiben fordert er Milosevic auf, "jegliche Vertreibung und Schlimmeres im Kosovo unverzüglich zu unterbinden." Im Gegensatz zu Milosevics Darstellung während ihres umstrittenen Treffens in Belgrad seien das Ende von Rambouillet und der Start der NATO-Bombardements "offenkundig genutzt worden, um "massenhaft und systematisch Kosovo-Albaner zu vertreiben"."Ihre Auskunft mir gegenüber war offensichtlich falsch", schrieb Gysi."Hier muß es eine zentrale Weisung gegeben haben." Gleichzeitig appellierte er abermals an Milosevic, einer UN-Friedenstruppe "ohne Beteiligung der angreifenden NATO-Staaten" zuzustimmen.

Derweil mußte die NATO zum fünften Mal einen schweren Irrtum und den möglichen Tod von Zivilisten einräumen.Wegen eines technischen Defekts sei ein Präzisionsgeschoß beim Angriff auf eine Kaserne in der südserbischen Stadt Surdulica fehlgeleitet worden und 200 bis 300 Meter entfernt in einem nahen Wohngebiet eingeschlagen, so Sprecher Shea.Es sei nicht auszuschließen, daß auch Zivilisten getötet wurden.Das serbische Fernsehen berichtete von mindestens 20 Toten.Ein NATO-Mitarbeiter räumte außerdem den Einsatz von Splitterbomben in Jugoslawien ein.

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