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© dpa

Belgrad: Karadzic nennt Anklage eine "Farce"

Keine Aussage, kein Essen - nach seiner Festnahme zeigt sich der ehemalige Serbenführer Karadzic wenig kooperativ. Die Menschen im bosnischen Sarajevo feiern dennoch. Und Serbien hofft nun auf Annäherung an die EU.

Der festgenommene frühere bosnische Serbenführer Radovan Karadzic schweigt zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen des Völkermordes. Der vom UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagte 63-Jährige habe das Verfahren gegen ihn bei seiner ersten Vernehmung durch einen serbischen Staatsanwalt als "Farce" bezeichnet, sagte sein Anwalt Svetozar Vujacic am Dienstagmorgen. Der früher korpulente Mann sei abgemagert und verweigere die angebotene Nahrung. Ein Gerichtsmediziner habe Karadzic noch in der Nacht untersucht und ihm eine stabile gesundheitliche Verfassung bescheinigt.

Nach mehr als einem Jahrzehnt auf der Flucht war Karadzic am Montag in Belgrad verhaftet worden.  Das UN-Kriegsverbrechertribunal  wirft ihm "Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vor. Karadzic soll die vielen Verbrechen der Serben im Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina 1992 bis 1995 geplant und organisiert haben.

In der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, Sarajevo, feierten Hunderte von Menschen mit Hupkonzerten die Neuigkeit. In der nahe gelegenen früheren Karadzic-Hochburg Pale blieb es dagegen ruhig. Im Zentrum Belgrads verstärkte die Polizei nach Mitternacht ihre Streifen und stellte zusätzliche Kräfte für die Bewachung der Botschaften in der Hauptstadt ab. Einzelheiten der Verhaftung blieben zunächst unbekannt.

USA und EU gratulieren

Karadzic war seit Mitte der 90er Jahre auf der Flucht. 1996 war er zum letzten Mal in Bosnien gesehen worden. Nach Darstellung des UN-Tribunals ist der Psychiater wie sein Militärkommandant Ratko Mladic von Helfershelfern in der serbischen Armee, Politik und im Geheimdienst gedeckt worden. Die USA hatten 1998 eine Belohnung von fünf Millionen Dollar für die Ergreifung des meist gesuchten Serben ausgelobt. Die in diesem Jahr gestürzte Regierung des nationalkonservativen Vojislav Kostunica soll eine Verhaftung von Karadzic verhindert haben, lauteten die Vorwürfe des Tribunals weiter.

Die US-Regierung gratulierte Serbien zur Verhaftung. Die Festnahme sei "eine wichtige Demonstration der Entschlossenheit der serbischen Regierung, ihrem Bekenntnis zur Zusammenarbeit mit dem UN- Kriegsverbrechertribunal nachzukommen", teilte das Weiße Haus am Montag (Ortszeit) mit. Es gebe keinen bessere Weg, den Opfern der Kriegsverbrechen Tribut zu zollen, als die Täter der Justiz zu überstellen. Die Verantwortlichen für die Festnahme Karadzics hätten "Professionalität und Mut" bewiesen, hieß es weiter.

EU-Chefdiplomat Javier Solana begrüßte die Nachricht. "Die neue Regierung in Belgrad steht für ein neues Serbien", sagte Solana am Dienstagmorgen nach Angaben seiner Sprecherin Cristina Gallach in Brüssel. Die Regierung stehe auch "für eine neue Qualität der Beziehungen mit der EU". Solana zeigte sich "ganz besonders erfreut darüber, dass die serbische Regierung von sich aus handelt, um ihre starke Verpflichtung gegenüber den europäischen Werten zu zeigen". Die EU hat bisher eine Annäherung Serbiens an die Europäische Union davon abhängig gemacht, dass die Regierung in Belgrad "uneingeschränkt" mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammenarbeitet. Die erst seit zwei Wochen amtierende neue serbische Regierung unter Führung pro-europäischer Parteien hatte die Verhaftung von Karadzic versprochen.

Bei vielen Serben noch immer ein Volksheld

Karadzic wird von großen Teilen der serbischen Bevölkerung immer noch als Volksheld angesehen. Der Chefankläger des UN-Tribunals, Serge Brammertz, dankte den serbischen Behörden für die Verhaftung von Radovan Karadzic. In einer Stellungnahme am Montagabend sprach er von einem "Meilenstein" der serbischen Zusammenarbeit mit dem Tribunal. Es sei ein wichtiger Tag für die Opfer des Krieges in Bosnien, die seit einem Jahrzehnt auf diese Verhaftung gewartet hätten.

"Das ist wenigstens eine Genugtuung für die Familien der Opfer", begrüßte der muslimische Vertreter im bosnischen Staatspräsidium, Haris Silajdzic, die Verhaftung. "Diese Reinigung ist notwendig, damit die Menschen wissen, dass es Gerechtigkeit gibt", sagte er der Belgrader Agentur Beta. "Dies ist ein großer Tag für Bosnien und eine großer Tag für die Gerechtigkeit", erklärte das kroatische Präsidiumsmitglied Zeljko Komsic.

Dagegen haben die oppositionellen serbischen Nationalisten die Ergreifung von Karadzic kritisiert. "Damit verschwinden die Menschen, die ein Symbol des Patriotismus sind", sagte der Generalsekretär der Radikalen (SRS), Aleksandar Vucic, am Dienstagmorgen in Belgrad. Die neue pro-europäische Regierung habe mit der Verhaftung der EU einen Dienst erwiesen, nachdem die Regierungsparteien in der Vergangenheit von Brüssel unterstützt worden waren. (sf/dpa)

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