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Politik: Benedikt im Amt

Vor mehreren hunderttausend Menschen und Staatsgästen aus aller Welt ist Papst Benedikt XVI. am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom in sein Amt eingeführt worden. "Die Kirche lebt. Die Kirche ist jung", rief Joseph Ratzinger unter dem stürmischen Beifall der Menge. (24.04.2005, 16:49 Uhr)

Rom - Bewegende Rituale, jubelnde Massen und ein heiterer Joseph Ratzinger: Vor 350 000 Menschen und Staatsgästen aus aller Welt ist Papst Benedikt XVI. am Sonntag auf dem Petersplatz in Rom in sein Amt eingeführt worden. Demütig nannte er sich einen "schwachen Diener Gottes". Der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren betonte, er wolle sein Amt in Kollegialität ausführen. Es gehe nicht darum, "meinen Willen zu tun, nicht meine Ideen durchzusetzen, sondern gemeinsam mit der ganzen Kirche auf Wort und Wille des Herrn zu lauschen".

In seiner bildhaften und spirituellen Predigt rief Benedikt die Menschheit in italienischer Sprache zum Glauben auf. Dabei erinnerte er mehrfach eindringlich an seinen Vorgänger Johannes Paul II. Zehntausende Deutsche, überwiegend aus Ratzingers bayerischer Heimat, waren bei der feierlichen Amtseinführung dabei. Der Pontifex machte nach seiner gut 35-minütigen Predigt einen entspannten und heiteren Eindruck. Mehrfach winkte er den Menschenmassen auf dem Platz zu.

Mit eindringlichen Worten verurteilte der 78-Jährige Gewalt und totalitäre Ideologien. Armut, Hunger und Einsamkeit dürften sich nicht weiter ausbreiten. «Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe», rief er den Menschen zu. «Wie oft wünschten wir, dass Gott sich stärker zeigen würde. Dass er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen.» Aber die Welt werde durch die Ungeduld der Menschen verwüstet - und durch die Geduld Gottes erlöst. «Wer glaubt, ist nie allein», sagte Benedikt.

Nach einem neuen Ritus hatte Ratzinger erstmals zu Beginn der rund zweistündigen Feierlichkeiten mit kirchlichen Würdenträgern am Grab des Apostels Petrus unter dem Petersdom gebetet. Der Apostel Petrus gilt nach kirchlicher Überlieferung als erster Papst. Begrüßt von stürmischem Beifall schritt die Prozession der Kardinäle mit dem Papst an der Spitze dann ins Freie zum Altar. Umhüllt von einem golddurchwirkten Priestergewand grüßte Benedikt die Menschen.

Erstmals in der Neuzeit wurde dem Pontifex bei der Messe eine mit fünf roten Kreuzen - die fünf Wundmale Jesu symbolisierend - bestickte lange Wollstola umgelegt. Diese Form des Palliums war im ersten Jahrtausend Tradition, als Ost- und Westkirche noch nicht getrennt waren. In der Neuzeit war das kurze Pallium mit schwarzen Kreuzen üblich. Neu gestaltet war auch der Ring, den der Papst bekam.

Die Menschen auf dem Petersplatz klatschten Beifall, als hohe Kurienkardinäle Ratzinger den Ring über den Finger streiften und die weiße Wollstola über die Schulter legten. Der Ring ist das Symbol für den ersten Papst Petrus, den «Menschenfischer». Das Pallium aus Lamm- Wolle weist auf die Aufgabe des Papstes als obersten Hirten hin.

In der bewegenden Messe, die zum Teil einer perfekten, immer wieder von Applaus unterbrochenen Inszenierung glich, waren auch Laien dabei. Beim traditionellen «Akt des Gehorsams» gingen neben drei Kardinälen, einem Bischof, einem Priester, einem Diakon und zwei Ordensleuten auch eine Familie aus Korea sowie zwei junge Firmlinge aus Sri Lanka und dem Kongo zum Papst. Ergriffen stiegen sie als Repräsentanten der verschiedenen Ständegruppierungen in der Kirche die Treppen zum Thron empor, wo der Pontifex sie lächelnd segnete.

Nach der Eucharistie (Abendmahl) fuhr der Pontifex zum Abschluss mit wehendem Gewand in einem offenen Auto stehend durch die jubelnde Menge. Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzler Gerhard Schröder gehörten zu den Staats- und Regierungschefs, die Benedikt nach den Feierlichleiten im Petersdom beglückwünschten.

Mitglieder der deutschen Delegation waren auch Bundesinnenminister Otto Schily und die Unionsvorsitzenden Angela Merkel und Edmund Stoiber. Der bayerische Ministerpräsident sprach von einem «Fest für alle Bayern». Er lud Benedikt nach Bayern ein. «Ich komme bald», zitierte Stoiber das Oberhaupt von weltweit rund 1,1 Milliarden Katholiken. Der Papst habe sich für die große bayerische Präsenz bei den Feierlichkeiten mit den Worten bedankt: «Das ist ja wunderbar; es sind so viele Bayern da.»

Zu den angereisten Bayern gehörten 40 Gebirgsschützen aus Tegernsee in ihren farbenprächtigen Trachten. Viele hatten Fahnen mit weiß-blauen Rautenmuster dabei. Auch Gläubige aus Polen und Bürger Roms nahmen an der Messe teil. Tausende verfolgten das Geschehen auf Großbildleinwänden in der Stadt. Der italienische Zivilschutz und die Sicherheitskräfte hatten das Gebiet um den Vatikan weiträumig abgesperrt. Zum Schutz der rund 200 Staatsgäste, unter ihnen der spanische König Juan Carlos mit Königin Sofia und der schwedische Monarch Carl XVI. Gustaf, waren Anti-Terror-Truppen im Einsatz.

In ganz Deutschland läuteten am Sonntagmittag die Glocken katholischer Kirchen. Die Messe wurde im Fernsehen live übertragen. In Ratzingers Geburtsort Marktl verfolgten Einwohner die Zeremonie auf einer Großleinwand. Im nahe gelegenen Wallfahrtsort Altötting beteten die Menschen bei einem Pontifikalgottesdienst für den Papst. In der Domstadt Köln hingegen fand die Inthronisierung nur wenig Interesse. «Noch 144 Tage bis zum Weltjugendtag», stand dort zu lesen. Der Papst hat bereits zugesagt, dass ihn eine der ersten Auslandsreisen zu dem Großereignis im August nach Köln führen wird. (tso)

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