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Benedikt in London: Der Papst darf zur Queen

Historischer Besuch: Benedikt XVI. reist nach Großbritannien und trifft Königin Elizabeth II. - das anglikanische Kirchenoberhaupt.

Papst Benedikt XVI. macht sich auf zum Staatsbesuch. Die Queen hat ihn eingeladen; da kann und sollte man nicht Nein sagen. Da wird aus einer „Pastoralreise“, wie päpstliche Kreuz-Fahrten seit Johannes Paul II. bescheiden heißen, auch schnell etwas Größeres: ein Gipfeltreffen zwischen Kirchenoberhäuptern nicht zuletzt, denn Königin Elizabeth II. steht ja offiziell der Anglikanischen Kirche, der „Church of England“, vor. Am kommenden Donnerstag beginnt der Besuch von Benedikt XVI. in Großbritannien.

Großbritannien ist für die katholische Kirche ein schwieriges Terrain. Johannes Paul II. war zwar schon einmal dort, im Mai 1982, aber auf Einladung der katholischen Bischöfe. Türen hat er keine geöffnet. Staatlicherseits ging man ihm so weit wie möglich aus dem Weg, denn England führte in patriotischer Aufwallung gerade den Falklandkrieg, und Johannes Paul II., der auch noch zu den argentinischen „Feinden“ reiste, wollte ihn mit einer Friedensmission stoppen. Für die Briten war das eine unziemliche Einmischung in ihre Belange – wie überhaupt die katholische Kirche in England die längste Zeit und teils bis heute als eine unpatriotische, ganz und gar nicht britische Veranstaltung galt.

Heute hat sich der Wind etwas gedreht. Zwar hat Tony Blair mit seiner Bekehrung zum Katholizismus im Dezember 2007 tunlichst gewartet, bis er nicht mehr Premierminister war; zwar protestieren Atheisten, Schwulenverbände und andere Kirchengegner in den Monaten nach den großen katholischen Pädophilie-Skandalen so heftig gegen den Besuch Benedikts, wie es in anderen Ländern eher unüblich ist. So wollen auch Opfer von sexuellem Missbrauch durch katholische Priester ihre persönlichen Nachrichten an den Papst in einem Buch zusammenfassen, das sie ihm bei seiner Reise überreichen möchten. Der große Rest der britischen Bevölkerung scheint sich allerdings um das Kirchenoberhaupt nicht sonderlich zu kümmern. Für die katholische Kirche gilt das in Großbritannien schon als Fortschritt.

Mit sechs von 60 Millionen stellen die Katholiken in Großbritannien eine kleine Minderheit dar. Politisch aufgeladen ist die Konfessionsfrage, seit König Heinrich VIII. beim Vatikan nicht die erwünschte Scheidung von seiner Ehefrau erreichte und daraufhin 1534 sein Land von Rom ablöste. Der Katholizismus wurde daraufhin über mehrere Jahrhunderte teils blutig verfolgt, teils mit Gesetzen unterdrückt; sozial zählten Katholiken bis weit hinein ins 20. Jahrhundert nichts; die „irische Frage“ galt bis vor wenigen Jahren als „katholische“ Rebellion gegen das Inselreich.

Seltsamerweise – und wohl der wachsenden öffentlichen Gleichgültigkeit in Religionsfragen geschuldet – hat die letzte Einflussnahme des Vatikan in England kein großes Aufsehen erregt. Innerkirchlich hingegen ist sie durchaus umstritten; von einem „feindlichen Übernahmeversuch“ war schon die Rede: Benedikt XVI. hatte im November 2009 eine Auffangstruktur für solche anglikanische Bischöfe und Priester geschaffen, denen ihre eigenen Kirche zu liberal geworden ist. Sie dürfen sich seither – auch wenn sie verheiratet sind – unter Beibehaltung ihrer Priesterwürde und ihrer anglikanischen Riten in die katholische Kirche flüchten.

Wie viele das schon getan haben, wie groß die zu erwartende „Rückkehrbewegung“ noch werden könnte, darüber hüllt sich der Vatikan in eisernes Schweigen. Darüber jedoch, dass Rom seinen Beitrag zur weiteren Auflösung der anglikanischen Kirche geleistet hat, besteht kein Zweifel. Deren oberster Bischof, Rowan Williams in Canterbury, wurde damals vor vollendete Fakten gestellt – und das, obwohl sein Schiff bereits von allen Seiten leckt. Rowan Williams soll, als Ehrenvorsitzender ohne praktische Macht, die anglikanische Kirche weltweit zusammenhalten – was ihm allerdings angesichts der Verwerfungen innerhalb der Kirche kaum gelingt.

Trotzdem: Wenn Papst Benedikt und Erzbischof Rowan Williams am kommenden Freitag gemeinsam in der Westminster Abbey beten – es wird nach zwei Romreisen Williams’ ihre insgesamt dritte Begegnung sein – dann wollen sie „das Gemeinsame, das Verbindende“ herausstellen. Dafür knüpfen sie vorsorglich bei einem unverdächtigen, vorreformatorischen König an: beim Heiligen Edward, „dem Bekenner“ (1005 bis 1066).

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