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Medwedew und Merkel

© dpa

Berlin-Besuch: Medwedew pflegt einen neuen Stil

An einigen Stellen verfällt Dmitri Anatoljewitsch Medwedew bei seinem Antrittsbesuch in Berlin in den Tonfall früherer Kremlherrscher. Doch er zeigt auch deutlich: Er ist keine Marionette Putins und auch nicht dessen Abbild.

Am Rednerpult im Kanzleramt bemüht der 42-Jährige am Donnerstagmittag mitunter das gleiche technologische Repertoire, das auch sein Vorgänger Wladimir Putin und noch viel lieber die Sowjetführer und Apparatschicks von einst so gern benutzten. Der Mann mit den warmen Augen spricht davon, dass die deutsch-russischen Beziehungen auf ein "höheres Niveau" gebracht werden müssten. Er redet von den "akkumulierten", also angehäuften, "Investitionen".

Aber der Neue aus Moskau entpuppt sich nicht als Kopie seines Vorgängers Putin, mit dem Angela Merkel in den vergangenen drei Jahren so manchen Strauß ausgefochten hatte. In manchen Augenblicken dieses Acht-Stunden-Besuchs wird auch in Berlin deutlich, dass da vor einem Monat eine durchaus eigenständige Persönlichkeit in den Kreml eingezogen ist, wenn auch durch Putins Gnaden vom russischen Volk gekürt.

Er winkte nett zur Begrüßung

Schon bei seiner Landung winkt der kleingewachsene, irgendwie noch jungenhafte Mann den Fotografen nett zu. Bei der Begrüßung im Kanzleramt lächelt er gar beim Abspielen der Nationalhymnen, ein Mienenspiel, das sich Putin selbst wohl streng verboten hatte.

Fast drei Stunden sprach Merkel mit Medwedew, teilweise im kleinsten Kreis. Sie hatte es ihm schon vorher als Geste angerechnet, dass er nach seinem Amtsantritt Deutschland als erstes Land Europas aufsucht. Mit Putin, der als Geheimdienstler lange in Dresden gelebt hatte, sprach sie auf Deutsch Klartext. Die Unterhaltung mit Mewedew wurde von Dolmetschern übersetzt. Kleine Randbemerkungen machte Merkel aber auf Russisch, Medwedew auf Englisch.

Viel Persönliches, mehr Wärme

So wurde das Gespräch am Ende als durchaus herzlich und direkt beschrieben - als gute Grundlage, auf der beide in der Zukunft aufbauen könnten. Medwedew als früherer Aufsichtsratschef von Gazprom habe gezeigt, dass er international durchaus erfahren sei. Es habe mehr Wärme, mehr Persönliches in dem Gespräch gegeben als beim Vorgänger, war in Erfahrung zu bringen. Merkel und Putin hatten dagegen oft wie Schachspieler gewirkt, die durchaus eine Lust daran finden, den anderen zu testen.

Und doch wandelte Medwedew in der Pressekonferenz nach dem Gespräch mit Merkel auch auf den Pfaden seines Förderers, der jetzt als Ministerpräsident weiter an den Schalthebeln der Macht sitzt. Schon bei ihrer letzten Begegnung mit Merkel hatte Putin in Moskau erklärt, dass sein Ziehsohn Medwedew genauso ein russischer Nationalist und Patriot sei wie er selbst. Der Westen müsse nicht glauben, dass es mit dem Neuen leichter werde.

Streitthemen standen auf der Gesprächsliste

So sprach auch Medwedew gleich Streitthemen wie den amerikanischen Raketenschutzschild in Europa, den von Russland im Gegenzug gekündigten Vertrag über die Begrenzung der konventionellen Rüstung und die Nato-Erweiterung um die Ukraine und Georgien an. Und wie früher Putin warb er auch für die Erleichterung russischer Investitionen in Europa. "Nichts bringt Menschen näher als das gemeinsame Geschäft", sagte der Ex-Manager, der es eigentlich wissen muss.

Medwedew ist für Berlin ein Hoffnungsträger, ein Mann, der Russland näher an den Westen führen könnte - auch im Inneren. Nur wurde auch deutlich, dass die Hoffnungen nicht überzogen werden sollten. Er bezeichnete die Reform des Rechtssystems als "Schlüsselpriorität" in seinem Land. Sie könne aber noch Jahre dauern, fügte er hinzu. Auch eine baldige Freilassung des in Sibirien einsitzenden russischen Ölmagnaten Michail Chodorkowski stellte er nicht in Aussicht. Hätte er freilich das getan, hätte er sich nach der Rückkehr nach Moskau wahrscheinlich kritische Fragen anhören müssen - wahrscheinlich auch von Putin.

Ulrich Scharlack, Helmut Reuter[dpa]

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