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Politik: „Berlin symbolisiert das neue Europa“

Kanzlerin und Kabinett besprechen mit Kommissionschef Barroso die deutsche EU-Ratspräsidentschaft

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Berlin - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will möglichst viel von der Substanz der EU-Verfassung retten, die im vergangenen Jahr in Frankreich und in den Niederlanden abgelehnt worden war. „Das, was zum Schluss dasteht, muss ein Gebilde sein, das das Wort Verfassungsvertrag verdient“, sagte Merkel am Mittwoch nach einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Berlin. Barroso nahm an einer Sitzung des Kabinetts teil, bei der über Schwerpunkte der kommenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft beraten wurde.

Deutschland übernimmt die Präsidentschaft am 1. Januar 2007 für ein halbes Jahr. Im kommenden Juni will Berlin dabei einen Vorschlag für einen Ausweg aus der europäischen Verfassungskrise vorlegen. Das Vorhaben ist unvollendet, seit das Vertragswerk bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden abgelehnt worden war. Es beinhaltet unter anderem einen Grundrechtekatalog, legt die Entscheidungsmechanismen in der Union fest und sieht das Amt eines EU-Außenministers vor.

Kommissionschef Barroso sagte, dass sich an die deutsche Ratspräsidentschaft hohe Erwartungen richteten. Er warnte aber davor, Deutschland das gesamte Gewicht bei der Lösung der Verfassungsfrage aufzubürden. Merkel erklärte, die „politische Klugheit“ verbiete es, bereits jetzt Details einer möglichen Lösung zu nennen. Allerdings bekräftigte die Kanzlerin ihren Wunsch, „nicht vorschnell“ einzelne Elemente aufzugeben. Die Verfassung müsse am Ende mehr sein als „eine institutionelle Regelung, wie in Zukunft abgestimmt wird“, sagte sie. Bis zur Europawahl 2009 müsse es einen Verfassungsvertrag geben, sagte Merkel weiter.

In die deutsche EU-Ratspräsidentschaft fällt auch der 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, die die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft als Vorläufer der EU besiegelten. Dazu ist am 25. März 2007 ein Sonderrat in Berlin geplant. Mit diesem Treffen solle auch dokumentiert werden, dass die Teilung Europas beendet sei, erklärte Merkel. „Berlin symbolisiert das neue erweiterte Europa“, sagte Barroso. Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft soll Europas Energieversorgung sein. Die Beziehungen zu Russland haben dabei großes Gewicht: Mit Moskau soll über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen verhandelt werden.

Merkel und Barroso hoben gleichermaßen die Bedeutung des Bürokratieabbaus in der EU hervor. Barroso verteidigte seinen Vize, den Industriekommissar Günter Verheugen, der die Machtfülle hoher Beamter in der Kommission kritisiert hatte.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Bundesregierung vor, sie habe das Kernproblem der Entwicklung von Wirtschaft und Arbeitsplätzen in der EU, die Energie- und Rohstoffversorgung, noch gar nicht angepackt. „Die deutsche Ratspräsidentschaft muss ein ganz konkretes Ziel vorgeben, um Europas Chancen zu nutzen“, sagte Künast dem Tagesspiegel. Um ihren technologischen Vorsprung zu bewahren, müsse die EU sich vornehmen, die Treibhausgase bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren. Künast schlug außerdem vor, den EU-Verfassungsvertrag notfalls in zwei Teilen in Kraft zu setzen, um den Verfassungsprozess voranzubringen. So könnten der Grundrechts- und der Verfahrensteil getrennt verabschiedet werden.

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