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Politik: Berlin und Paris streiten über Agrarpolitik

Brüssel/Breslau. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hält weiter am Brüsseler Vorschlag für eine stufenweise Einführung der Direktbeihilfen für die Landwirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten fest.

Brüssel/Breslau. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hält weiter am Brüsseler Vorschlag für eine stufenweise Einführung der Direktbeihilfen für die Landwirtschaft in den neuen Mitgliedstaaten fest. „Ich glaube, dass alle Tiere gleich sind, keines gleicher“, sagte er am Dienstag während einer Pressekonferenz zum Gipfeltreffen in Sevilla am kommenden Freitag. Es seien zwar Übergangsfristen bis zur Zahlung der Direktbeihilfen in voller Höhe notwendig, weil sie nicht in die finanzielle Vorausschau für die Zeit von 2000 bis 2006 einberechnet seien. Doch die Direktbeihilfen gehörten grundsätzlich zum gemeinsamen Besitzstand der EU (Aquis) und müssten deshalb ab 2013 für alle gelten.

Die EU-Außenminister hatten sich nach langen Gesprächen am Montagabend in Luxemburg doch noch auf einen Formelkompromiss im Streit über die Agrarbeihilfen verständigt. Eine Lösung des Problems bildet die Erklärung der Außenminister jedoch keineswegs. Die Frage, ob und welche Direktbeihilfen die neuen Mitgliedstaaten bekommen sollen, wird weiter auf die lange Bank geschoben. Die Außenminister betonten jedoch, dadurch solle der Abschluss der Erweiterungsverhandlungen Ende des Jahres nicht in Frage gestellt werden.

In der gemeinsamen Erklärung der Außenminister werden lediglich die verschiedenen Positionen nebeneinander gestellt. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass die finanzielle Vorausschau des Berliner EU-Gipfels von 1999, auf dem der EU-Finanzrahmen bis 2006 festgelegt worden war, keine Direktbeihilfen für Beitrittsländer vorsieht. Andererseits wird gesagt, dass die jetzt gezahlten Direktbeihilfen Teil des gemeinsamen Besitzstandes seien und für alle gelten müssten.

Deutschland findet sich mit dem Hinweis wieder, dass die finanzielle Vorausschau des Berliner EU-Gipfels von 1999, auf dem der EU-Finanzrahmen bis 2006 abgesteckt worden war, keine Direktbeihilfen für Beitrittsländer einbezieht. Außerdem kämpfte Außenminister Joschka Fischer sehr um einen Verweis auf eine Ratsverordnung. Darin heißt es, dass Direktbeihilfen nur gezahlt werden können, wenn es sich dabei um einkommensstützende Maßnahmen handelt. Nach Ansicht der Bundesregierung wäre dies beispielsweise bei polnischen Landwirten nicht der Fall; denn es wird angenommen, dass die Preise für Agrarprodukte nach dem EU-Beitritt steigen werden.

Die Brüsseler EU-Kommission hat offenbar kein Problem damit, dass die Staats- und Regierungschefs an diesem Freitag und Samstag in Sevilla diese – zur Zeit unlösbare – Frage nicht unbedingt zu lösen brauchen. Sie versteht die Erklärung als Bestätigung für ihren Vorschlag, die Direktbeihilfen im Rahmen der finanziellen Vorausschau nach und nach einzuführen. „Die Position der Kommission hat grünes Licht bekommen“, sagte der Sprecher von EU–Landwirtschaftskommissar Fischler. „Man kann eine Strategie wählen, die Direktzahlungen enthält, ohne den Rahmen der finanziellen Vorausschau zu sprengen". Prodi nannte die Agrarpolitik und die Haushaltspolitik die schwierigsten Themen, die in den Erweiterungsverhandlungen jetzt noch gelöst werden müssten. Die Kommission habe Vorschläge vorgelegt, wie die Erweiterung im Rahmen der finanziellen Vorausschau 2000 bis 2006 finanziert werden könne. Für die Zeit danach müsse neu verhandelt werden.

Bundeskanzler Gerhard Schröder erkannte bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Breslau (Wroclaw) den Anspruch der EU-Kandidaten auf Agrarbeihilfen an und forderte gleichzeitig eine Umverteilung der bisherigen Mittel. Die wohlhabenden Mitglieder der EU müssten die weniger wohlhabenden unterstützen, forderte Schröder die „Solidarität mit den EU-Kandidaten“ ein. Die Auseinandersetzung um die Höhe der Direktbeihilfen an die EU-Anwärter sei kein Streit mit Polen, sondern ein EU-interner Streit um die Umverteilung der Beihilfen, versicherte er seinem polnischen Amtskollegen Leszek Miller. Länder, die nun am meisten von der gemeinsamen Agrarpolitik profitierten, müssten zu Gunsten der neuen Mitglieder „etwas abgeben“, sagte Schröder mit Blick auf Frankreich und die südeuropäischen EU-Mitglieder: „Wir können nicht den Besitzstand der alten Mitglieder wahren und für die neuen gleichzeitig noch was drauflegen." Im Vorfeld des Gipfeltreffens hatte die Ankündigung Schröders, nach der EU-Erweiterungen von der bisherigen Praxis der Direktzahlungen abzurücken, in Polen für erheblichen Wirbel gesorgt. M. Schulze Berndt/T. Roser

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