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© Keystone

Berliner CDU: Über Nacht doch noch in den Bundestag

In der Berliner CDU sind nun fast alle froh über das Ergebnis der Bundestagswahl. Auch Spitzenkandidatin Grütters hat ein Mandat.

Über Nacht wurde alles gut. Monika Grütters, Spitzenkandidatin der Berliner CDU mit unsicherer Absicherung auf der Landesliste, fand sich am Montagmorgen um fünf Uhr zu ihrer Überraschung doch auf der Liste „In Berlin gewählte Abgeordnete“, die der Landeswahlleiter irgendwann in der tiefen Nacht ins Internet gestellt hatte. Das ist nur mit den Finessen des Wahlsystems zu erklären.

Noch am Abend zuvor war Grütters davon ausgegangen, dass die CDU mit ihren 22,8 Prozent fünf Mandate in Berlin errungen hatte. Es waren – so sah es am späten Sonntagabend aus – sämtlich Direktmandate: Frank Steffel in Reinickendorf, mit 39 Prozent der Erststimmen der neue Champion unter den CDU-Bundestagsabgeordneten; Karl-Georg Wellmann wurde mit 38,8 Prozent in Steglitz-Zehlendorf direkt gewählt. Kai Wegner gewann seinen Spandauer Wahlkreis. Stefanie Vogelsang (Neukölln) und Jan-Marco Luczak (Tempelhof-Schönberg) holten ebenfalls Direktmandate – damit schien das Potenzial der CDU erschöpft zu sein. Doch können ein paar hundert Stimmen mehr für eine Partei zum Gewinn eines weiteren Mandats führen – und so hatte Grütters Glück: Die Berliner CDU war bei dieser Bundestagswahl für sechs Mandate gut, Grütters Listenplatz eins sicherte ihr den Sitz im Bundestag.

Der Übernacht-Mandatsgewinn hat die Zufriedenheit in der Berliner CDU auf ein Niveau gehoben, das man schon gar nicht mehr kannte. Der (vorläufige) Untergang des Ingo Schmitt wurde mit gelindem Spott kommentiert. Schmitt, Ex-Landeschef, Ex-Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf, der im Machtkampf 2008 demontiert worden war, hatte sich in Charlottenburg-Wilmersdorf als Direktbewerber versucht. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2005 verlor Schmitt 7000 Stimmen.

Mehr als ein Schulterzucken hatte dafür in der CDU kaum jemand übrig. Noch am Sonntagabend hatte Schmitt seinen Parteifreunden demonstriert, was ihm deren Unterstützung im Wahlkampf wert war: nichts. Auf der ersten Etage des Rathauses Charlottenburg standen CDU-Mitglieder vor einer Leinwand, auf die die Erststimmenergebnisse je nach dem neuesten Stand der Auszählung projiziert wurden. Schmitts Bruder Bodo, Vormann der CDU-Bezirksverordnetenfraktion, hielt die Stellung, wusste aber angeblich nichts über den Verbleib des Wahlkreiskandidaten. Eine ältere Frau sagte über Ingo Schmitt zu Bruder Bodo: „Normalerweise müsste er hier sein, es haben alle hier für ihn Wahlkampf gemacht.“

Womöglich ist da eine Karriere zu Ende gegangen. Davon abgesehen, konnte man den Eindruck haben, dass sich das Gefühl, der nun wieder stärksten Partei in Berlin anzugehören, in manchem Christdemokraten noch nicht ausgebreitet hatte. Von prallem Selbstbewusstsein war nicht viel zu hören. Fraktions- und Landeschef Frank Henkel, einer der Organisatoren des Neuanfangs nach der Krise um Schmitt und Friedbert Pflüger, freute sich am Montag über eine „gutes Jahr 2009“. Das Europawahlergebnis vom Juni – stärkste Partei in Berlin: CDU – war ein Hoffnungsschimmer gewesen. Aus dem Schimmer ist mit der Bundestagswahl ein Leuchten geworden: Das Ende des Tunnels scheint in Sicht.

Was das für die politische Arbeit bedeutet, ist eher in Umrissen zu sehen. Henkel und andere Strategen in der Berliner CDU setzen auf kantige Sachpolitik. Die Union müsse den Leuten das Gefühl geben, alternative Lösungen zum rot-roten Senat anzubieten, sagt Henkel. Sein Lieblingsbeispiel ist die Bildungspolitik. Die Hauptschule, lange ein unverzichtbarer Bestandteil von CDU-Schulkonzepten, wollen sie abschaffen – das haben sie miteinander diskutiert in der CDU, das ist nun Konsens. Die CDU will ein zweigliedriges Oberschulsystem, sie hält das Gymnasium hoch und lehnt die Verlosung von Plätzen an diesen Schulen ab. „Schülerlotto“ ist der Kampfbegriff, der eben auch bedeuten soll: Wir haben etwas Besseres zu bieten. Henkel erinnert an ein Konzept zum Umbau der Jobcenter oder für den Flughafen Tegel. Alles soll zeigen: Die CDU arbeitet sich an den Berliner Baustellen ab. „Wir brauchen inhaltliche Offensiven“, sagt Henkel. Der Politikbetrieb mit den Haushaltsverhandlungen und dem zu erwartenden Streit über den Umgang mit dem öffentlichen Dienst sollen die Aktionsfelder sein, auf denen sich die CDU beweist.

Dass gerade jetzt bei der CDU so wenig von strategischen Mehrheiten die Rede ist, liegt an den Grünen. Die Christdemokraten wissen nicht, was sie von den Ökos halten sollen: Verbürgerlichen die? Oder schlagen grüne Herzen links? Seit Pflügers jamaika-oppositionellen Ansätzen sei einiges passiert, aber nichts wirklich anders geworden, denkt man wohl in der Berliner CDU. Man weiß nicht, ob mit den Grünen Bildungspolitik gegen die „Einheitsschule“ zu machen ist. Man weiß nicht, wie die grüne Basis über brennende Autos in Kreuzberg und Friedrichshain denkt. Die Grünen, sagt Henkel gern, müssen sich entscheiden, ob sie in die Mitte oder nach links wollten. Was er nicht sagt: Ohne die Grünen bleibt die CDU noch lange in der Opposition.

 Werner van Bebber

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