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Renate Künast

© dpa

Berliner Politik: Renate Künast: Konkurrentin für Klaus Wowereit?

Renate Künast ist Deutschlands populärste Grüne. 2011 soll sie in Berlin gegen Klaus Wowereit antreten – und die erste grüne Regierungschefin eines Bundeslandes werden. Traut sie sich auch?

Renate Künast hofft. „Das ist völlig aus der Luft gegriffen. Eine Entscheidung steht jetzt gar nicht an.“ Mit diesen zwei Sätzen, am Wochenende von einem Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion verbreitet, versucht Deutschlands beliebteste Grünen-Politikerin den Eindruck zu zerstreuen, ihre Spitzenkandidatur bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst 2011 sei bereits beschlossene Sache.

Anlass für Künasts kurzes Dementi war ein Bericht der „Bild am Sonntag“. Überschrift: „Künast will gegen Wowereit antreten“. Nach den Recherchen der Boulevard-Zeitung soll die Chefin der Grünen-Fraktion im Bundestag gegenüber führenden Parteifreunden vor wenigen Tagen ihre Bereitschaft zur Kandidatur gegen Wowereit erklärt haben. Auch ein Wahlkampfteam habe sie bereits zusammengestellt.

Steht Künasts Kandidatur tatsächlich noch nicht fest?

Nach außen halten Künast und die Grünen an ihrem Fahrplan fest, wonach die Kandidatur erst im Herbst verkündet werden soll – wenige Wochen vor dem Landesparteitag im November. Allerdings hat Künast kaum noch eine andere Wahl, als in Berlin anzutreten. Monatelang hat die Spitzengrüne die Spekulationen über ein Duell gegen Wowereit laufen lassen und so bei den Berliner Parteifreunden wie auch in der Öffentlichkeit hohe Erwartungen geweckt. Künast weiß: Die Enttäuschung im Falle einer Absage wäre riesig und würde den Berliner Grünen mindestens ebenso schaden wie ihr. Anstelle von Künast müsste dann wohl Volker Ratzmann, Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, ins Rennen gehen – als Spitzenkandidat zweiter Wahl.

Warum will sie sich noch nicht erklären?

Künasts Zögerlichkeit hat mehrere, zum Teil widersprüchliche Gründe. Da ist zum einen die Hoffnung, sie werde davon profitieren, wenn die Spannung, die aus der zumindest formal unbeantworteten Kandidatenfrage entsteht, über den Sommer hinweg aufrechterhalten werden kann. Außerdem braucht Künast Zeit, um im Berliner Landesverband die Weichen für eine erfolgreiche Kandidatur zu stellen. Aber die populärste Grüne macht sich auch Gedanken darüber, was sie verlieren kann, wenn sie von der Bundes- in die Landespolitik wechselt. Angesichts der Misere der schwarz-gelben Koalition im Bund erscheint ein Regierungswechsel nach der Bundestagswahl 2013 derzeit als realistische Perspektive. Künast muss sich also fragen, ob sie die Chance auf eine Rückkehr in ein Bundeskabinett gegen die Chance in Berlin eintauscht.

Sind die Hauptstadt-Grünen auf eine Künast-Kandidatur vorbereitet?

Volker Ratzmann prophezeite seiner Partei auf dem Landesparteitag Anfang Juni schon mal „realistische Chancen“ auf einen Wahlsieg 2011. Dafür muss die Partei aber erst noch die Voraussetzungen schaffen. Fast 20 Jahre lang waren Berlins Grünen in der luxuriösen Situation, als Opposition vieles fordern zu können, ohne es dann auch durchsetzen zu müssen. Damit wäre spätestens mit einer Spitzenkandidatin Künast Schluss. Die Berliner Grünen müssten sich endgültig von ihrer Tradition als Protestpartei verabschieden. „Wir sind nicht mehr die innerstädtische Kiezpartei, wir müssen Politik machen für die Menschen von Zehlendorf bis Buch“, verlangt Fraktionschef Volker Ratzmann.

Wie gefährlich wäre Künast für Wowereit?

Schon jetzt sind die Berliner Grünen der SPD und ihrem Regierenden Bürgermeister gefährlich nahe gekommen. Rund 15 Monate vor der Abgeordnetenhauswahl liegen die Sozialdemokraten nach einer „Forsa“-Umfrage für die „Berliner Zeitung“ nur noch zwei Prozentpunkte vor den Grünen. Weitere Zugewinne für die Grünen könnten folgen, wenn sich Künast erst einmal offiziell erklärt hat. Der Reiz ihrer Bewerbung dürfte für manche Wähler auch darin liegen, dass sie zum ersten Mal in Deutschland eine Grüne zur Regierungschefin eines Bundeslandes machen könnten.

Mit welchem Koalitionspartner könnte Künast Regierende Bürgermeisterin werden?

Die aussichtsreichste Machtperspektive für Renate Künast wäre Schwarz-Grün. Beide Parteien haben sich in den vergangenen Jahren vorsichtig angenähert. Zwar sind die Grünen nach Ansicht von CDU-Landeschef Frank Henkel derzeit noch bei vielen Themen „auf dem Holzweg“, etwa bei Bildung und Integration. Andererseits gebe es auch Gemeinsamkeiten, als Beispiele nennt Henkel den Umgang mit Zukunftsindustrien und Einsparungen im öffentlichen Dienst.

Mit der SPD sind die politischen Schnittmengen zweifellos größer. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass die Sozialdemokraten als Juniorpartner ein grün-rotes Bündnis eingehen würden. Künast wiederum dürfte wenig Interesse haben, als Nummer zwei neben Klaus Wowereit am Senatstisch Platz zu nehmen.

Würde sie auch als Oppositionsführerin ins Abgeordnetenhaus einziehen?

Unwahrscheinlich. Künast wird den Vorsitz der Bundestagsfraktion auch als Berliner Spitzenkandidatin behalten wollen, um sich im Fall einer Niederlage nicht im Berliner Feierabendparlament wiederzufinden. Allerdings würde sie sich auf diese Weise im Wahlkampf angreifbar machen. Klaus Wowereit hat den Ton auf dem SPD-Landesparteitag an diesem Wochenende schon einmal vorgegeben. Er freue sich auf Künasts Rückkehr in die Landespolitik, sagte er. Allerdings müsse sie „mit vollem Herzen“ kommen und dürfe nicht „morgen wieder weg sein“.

Was verbindet sie mit Berlin?

Berlin ist für die in Recklinghausen geborene 54-Jährige seit gut 30 Jahren persönliche und politische Heimat. Ende der 70er arbeitete sie als Sozialarbeiterin in der Justizvollzugsanstalt Tegel. 1979 trat sie der Alternativen Liste bei, seitdem hat sie in verschiedenen Funktionen für die Partei gearbeitet, die später in den Grünen aufging. Dabei sammelte sie im Abgeordnetenhaus nicht nur Oppositionserfahrung, sondern führte die Grünen-Fraktion auch 1989/90 während des rot-grünen Momper-Senats. Sollte sie nach zehn Jahren wieder in die Landespolitik zurückkehren, würde sie auf alte Bekannte stoßen – auch wenn viele Weggefährten inzwischen weitergezogen sind, so der Europaabgeordnete Michael Cramer, Michaele Schreyer, EU-Kommissarin bis 2004, oder die Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele und Wolfgang Wieland. Mit Letzterem hat Künast nicht nur eine politische Verbindung. Sie studierte an der Freien Universität Jura und arbeitete danach als Rechtsanwältin – in einer Kanzlei mit Wieland.

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