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Zwei zukünftige Erstklässler üben das Verhalten auf dem Schulweg und das richtige Überqueren einer Straße.

© Patrick Pleul / dpa / picture alliance

Berliner Schulmisere: Warum Bildung auf meine Kosten geht

Meine Tochter ist auf einer Privatschule. Weil ich den Glauben in die Berliner Bildungspolitik verloren habe. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Hatice Akyün

Meine Tochter geht auf eine Privatschule. Die Entscheidung, aus dem staatlichen Schulangebot auszusteigen, trägt sicherlich dazu bei, dass die soziale Durchmischung an Berliner Schulen weiter abnimmt. Das ist mir bewusst. Aber ganz ehrlich: Es ist die vom Munde abgesparte Notwehrreaktion einer Mutter, die den Glauben an die Berliner Bildungspolitik verloren hat.

Seit ich in Berlin lebe, dreht sich die Bildungsmisere im Kreis. Trotz aller Bekundungen ändert sich nichts. JüL, Schreiben nach Gehör, Einschulung mit 5, Lehrer-Quereinsteiger und andere Bildungs-Laborversuche, die woanders schon mal schiefgelaufen sind, müssen in Berlin noch mal konsequent an die Wand gefahren werden.

Das hat mich über die Jahre als Mutter mürbe gemacht. Deshalb hat mich die aktuelle Meldung, dass in den nächsten zwei Jahren 26.000 Plätze fehlen werden, auch überhaupt nicht schockiert. Es passiert ja nicht ganz plötzlich, dass ein Kind sechs Jahre nach der Geburt in die Schule kommt.

Entschuldigen Sie meine Polemik, aber anders hält man das alles ja nicht mehr aus. Ja, die soziale Spaltung der Gesellschaft steigt, wenn Eltern sich für eine private Schule entscheiden. Aber dass sie überhaupt eine private Schule in Erwägung ziehen müssen, obwohl sie es gar nicht wollen, dafür tragen die Verantwortlichen einer jahrzehntelangen desaströsen Bildungspolitik ganz allein die Verantwortung.

Ich war in Duisburg auf einer staatlichen Grundschule und saß als Arbeiterkind neben einem Bankdirektorkind. Später war ich auf einer Hauptschule, auf der ich mittlere Reife gemacht habe und für die Ausbildung als Justizangestellte fit gemacht wurde. Meine Schule war gut ausgestattet: die Toiletten sauber, die Turnhalle intakt, die Lehrer ausgebildet und kaum Unterrichtsausfall. So wie heute – dann aber an Privatschulen.

Nichtdeutscher Anteil spielt für Eltern keine Rolle

Seit Jahren findet die Flucht der Eltern aus den öffentlichen Schulen schon statt. Mittlerweile gehen zehn Prozent der Berliner Schüler und Schülerinnen auf eine private Schule, in kürzester Zeit hat sich die Zahl verdoppelt. Aus Elterninitiativen entstandene Schulen gehören genauso dazu wie die internationalen, Waldorf, Montessori und Schulen in kirchlicher Trägerschaft. Dabei spielt der sogenannte nichtdeutsche Anteil für die Eltern überhaupt keine Rolle, denn so gut wie jeder hat einen Migrationshintergrund.

Seit Jahren bestätigen Studien, Pisa und warnt die OECD, dass in keinem anderen Land der Bildungsabschluss der Eltern und deren sozialer Stand die Zukunftschancen der Kinder bestimmt. Schon komisch, nirgendwo klaffen Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinander wie im Bildungssystem.

Daran ändern die gut gemeinten Sonntagsreden auch nichts. Soziale Gerechtigkeit und gleiche Bildungschancen kann man eben nur erreichen, wenn Geld in die Lehrer, die Ausstattung und die Gebäude investiert wird. Das ist einfachste Mathematik.

Wenn Bildungsziele formuliert werden, geht es um wertvolle Ressourcen, um Potenziale. Geld ist nicht alles, aber fast alles ist ohne Geld nichts. Das, was heute an einem Schüler gespart wird, zahlt der Staat an Sozialleistungen später mehrfach drauf. Jeder Euro in Bildung ist also keine Ausgabe, sondern eine gute Anlage in die Zukunft.

Meine einzige Hoffnung ist, dass Kinder, egal ob an einer privaten oder an einer staatlichen Schule, Lehrer finden, die für sie Vorbild werden und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. Dann klappt es vielleicht mit der sozialen Gerechtigkeit.

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