zum Hauptinhalt

Politik: Berliner Staatsanwälte: Akte Sarrazin bleibt zu

Trotz UN-Rüge und Bitte der Justizministerin keine Wiederaufnahme des Verfahrens.

Berlin - Es bleibt dabei: Die Berliner Justiz will das Verfahren von 2009 gegen den früheren Finanzsenator und Ex-Vorstand der Bundesbank, Thilo Sarrazin, nicht wieder aufnehmen. Auf Bitte des Bundesjustizministeriums habe man „die Sach- und Rechtslage“ noch einmal geprüft, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft, Thomas Fels, dem Tagesspiegel. „Im Ergebnis ist es bei der Einstellung des Verfahrens geblieben.“ Dies habe man dem Ministerium mitgeteilt.

Das Justizministerium hatte, wie es am 1. Juli in einer Verbalnote an die UN in Genf schrieb, die Berliner Anklagebehörde gebeten, „alle Möglichkeiten“ zu nutzen, die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Sarrazin „zu überdenken“. Geklagt hatten der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) und einzelne Berliner nach einem Interview Sarrazins in der Zeitschrift „Lettre“ 2009. In dem Gespräch hatte der sozialdemokratische frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin, damals noch Vorstandsmitglied der Bundesbank, unter anderem gesagt, er müsse „niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für siebzig Prozent der türkischen und für neunzig Prozent der arabischen Bevölkerung von Berlin.“ Diese Zahlen nannte er später selbst „gegriffen“, also nicht belegt. Im Jahr darauf erschien Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ zum selben Thema und wurde ein Bestseller.

Der Antirassismusausschuss der Vereinten Nationen in Genf (CERD) rügte den Umgang Deutschlands mit dem Fall Sarrazin im April. Die Aussagen des Ex-Senators – es ging um das Interview, nicht das Buch – seien rassistisch. Offenbar schützten deutsche Gesetze und Behörden die Bevölkerung aber nicht ausreichend dagegen, schrieb der CERD in einer Stellungnahme an Berlin und bat um eine Antwort binnen drei Monaten.

Die gab Ministerin Sabine LeutheusserSchnarrenberger mit dem Schreiben nach Genf von Anfang des Monats. Darin war nicht nur von der Bitte an die Berliner Staatsanwaltschaft die Rede, sie versicherte auch, man prüfe aktuell „im Lichte der Anmerkungen des Antirassismusausschusses“ die deutschen Gesetze und werde darüber weiter berichten. Deutschland hat die Antirassismuskonvention der UN unterschrieben und sich dadurch verpflichtet, Rassismus zu bekämpfen.

UN-Beobachter haben schon mehrfach gerügt, dass der deutsche Blick sich zu ausschließlich auf Antisemitismus richte und andere Formen menschenverachtender Propaganda zu wenig wahrnehme. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hatte kürzlich vor den UN Veränderungen in Aussicht gestellt. Andrea Dernbach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false