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Berlins CDU-Chef Frank Henkel am Dienstag bei der Bekanntgabe des Ergebnisses der Mitgliederbefragung zur Homo-Ehe.

© DAVIDS/Sven Darmer

Berlins CDU gegen die Ehe für alle: Der holprige Weg zur modernen Großstadtpartei

Das Votum der Berliner CDU-Mitglieder gegen die Ehe für alle ist eine Selbstvergewisserung, die das Politikmachen erschwert. Nur die Bundeskanzlerin dürfte sich in ihrer Vorsicht bestätigt fühlen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Werner van Bebber

Tja, so ist das mit der Basisdemokratie: Sie nimmt den Chefs Entscheidungen ab, macht ihnen das Leben aber nicht leichter. Die Berliner CDU jedenfalls hat ihrem Chef Frank Henkel mit dem Nein zur Ehe für alle keinen Gefallen getan – und sich selbst als Regierungspartei für die Jahre nach 2016 vermutlich auch nicht. Henkel und die, die ihn beim Modernisierungsschub in Richtung Mitgliederbefragung beraten haben, werden von der SPD, aber auch von den Grünen nach dem Sommer einiges zu hören bekommen: Von wegen „moderne“ Großstadtpartei! Von wegen potenzielle Partner in einer schwarz-grünen Koalition! Bleibt ihr mal schön allein mit euch und eurer Werteordnung!

Ein Abstimmungsergebnis, eine Selbstvergewisserung, die das Politikmachen erschwert – hätten Henkel, sein Generalsekretär Kai Wegner und sein Präsidium das nicht ahnen können? Der Beginn des Verfahrens hatte der Berliner CDU, deren politische Konturen nicht die schärfsten sind, einen modernen Touch gegeben: Einerseits die Befürworter der Ehe für alle, die dafür standen, dass ein offener Umgang mit Homosexualität in einer sich als bürgerlich-konservativ verstehenden Partei gut möglich ist. Andererseits die Gegner der Homo-Ehe, die mit ihrem Aufruf zeigten, dass man liberal, offen für alle Lebensformen und dennoch mit Blick auf die Ehe wertkonservativ sein kann: Nur Frauen und Männer „können sich entscheiden, ihre leiblichen Kinder in Treue und familiärer Fürsorge im verbindlichen Rechtsrahmen der Ehe großzuziehen“, erklärten sie: „Dies ist das schönste und bedeutendste Versprechen, das es in unserer Gesellschaft noch gibt.“

Wertkonservative können sich in der Partei aufgehoben fühlen

Dass es solche Worte waren, die die Gegner der Ehe für alle aktiviert haben, darf man bezweifeln. Die rund 45 Prozent Parteimitglieder mit einem konservativen Eheverständnis dürften diejenigen sein, denen ihr Weltbild und ihr Werteverständnis wichtig genug war, um überhaupt mit abzustimmen. Es wäre falsch, daraus zu schließen, die Berliner CDU habe über den Ehestreit zu einem schlummernden Wertkonservatismus zurückgefunden. Selbst wenn man die sieben Prozent, die „eher nicht“ für die Öffnung der Ehe sind, jenen 45 klar entschiedenen Homo-Ehe-Gegnern zuschlägt, hat die Diskussion gerade ein Drittel der 12 500 Berliner CDU-Mitglieder zur Abstimmung animiert. Als vor zwei Jahren in Frankreich, das doch in Liebesdingen liberal bis zur Libertinage ist, die Ehe geöffnet wurde, demonstrierten 150 000 Menschen dagegen, Randale inbegriffen.

Zweierlei bleibt von dem neuen Berliner Experiment mit der Gleichstellung aller mit allen: Die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel wird sich bestätigt fühlen in ihrem vorsichtigen, aber wahrnehmbaren Ressentiment gegen die Ehe für alle. Merkel gibt sich sonst nicht wertkonservativ, doch Wertkonservative können sich bei ihr gut aufgehoben fühlen. Der Berliner Landesvorsitzende und designierte Spitzenkandidat Frank Henkel, der zu der Angelegenheit so eisern wie vorsichtig geschwiegen hat, wird sich darin bestätigt fühlen, dass konservative Parteistrukturen mit Delegiertenprinzip und Parteitagsbeschlüssen immer noch die besten sind, besser als jede Mitgliederbefragung. Trösten dürfte ihn, dass der Ehe-Konservatismus seiner Partei sich in einigen Jahren in wohlgefälligen Liberalismus aufgelöst haben wird: Es waren vor allem die Mitglieder über 60, die gegen die Ehe für alle stimmten.

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