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Anders als im Falle Frankreichs hat sich der Einfluss Deutschlands an den Brüsseler Schaltstellen in den letzten Jahren vergrößert.

© dpa

Berlins Einfluss in der EU: Man spricht nicht Französisch

Deutschland besetzt laut einer Studie des Bruegel-Instituts mehr Posten an den Brüsseler Schaltstellen als jedes andere Land - Frankreich kann seit 2009 hingegen immer weniger Spitzenposten ergattern.

Hat jemand bemerkt, dass die vergangene Woche eine „Europawoche“ war? Die Woche hieß ganz offiziell so, und zwar nicht wegen der Briten, die neben den Griechen gerade in den Fokus der Tagesaktualität gerückt sind. Mit der „Europawoche“ wird jedes Jahr Anfang Mai bundesweit an die Rede des französischen Außenministers Robert Schuman erinnert, der am 9. Mai 1950 mit seiner Erklärung den Grundstein für die heutige EU legte. In Frankreich hat Premierminister Manuel Valls den Jahrestag von Schumans Erklärung gerade dazu genutzt, seinen Ministern ordentlich ins Gewissen zu reden. Die Herren und Damen aus dem Kabinett mögen sich doch bitte in Brüssel und Straßburg öfter blicken lassen, lautete die Aufforderung des französischen Regierungschefs. Valls selbst kündigte an, mit gutem Beispiel vorangehen zu wollen – demnächst möchte er vor dem Europaparlament sprechen. Und übrigens, fügte er noch an, wäre es auch ganz schön, wenn die französischen Minister eine stärkere Präsenz in den ausländischen Medien zeigen würden.

Ach, Europa. Der Appell von Manuel Valls zeigt in aller Kürze die Probleme auf, die zur Crux Europas gehören: die sprachliche Schwierigkeit, eine europäische Öffentlichkeit herzustellen, die weiterhin überragende politische Bedeutung der Hauptstädte und eine Verengung der Weltsicht, die gerade in Frankreich von der Front-National-Chefin Marine Le Pen vorangetrieben wird. Seit das EU-Referendum von 2005 in Frankreich gründlich schiefging, hält sich die Führungsriege im Nachbarland mit ambitionierten europapolitischen Vorstößen zurück. Möglicherweise ändert sich das mit dem Appell des Regierungschefs an seine Ressortchefs jetzt.

Dabei ist es nicht nur ein rein französisches Phänomen, dass Minister die Brüsseler Ratssitzungen schwänzen und lieber ihre Staatssekretäre über Richtlinien, Klimaziele oder Marktregulierungen feilschen lassen. Vom CSU-Mann Hans-Peter Friedrich wird beispielsweise kolportiert, dass er sich in seiner Zeit als Minister in Brüssel ganz gerne vertreten ließ.

Der Einfluss eines Landes in Brüssel bemisst sich allerdings nicht nur danach, ob nun der Minister selbst oder nur sein Stellvertreter rote Verhandlungslinien auf den Konferenztisch malt. Entscheidend für die Durchsetzungskraft eines Landes ist auch die Zahl der ständigen Vertreter in der EU-Hauptstadt. Sprich: Wie viele Männer und Frauen aus Land X oder Staat Y leiten die Generaldirektionen der EU-Kommission, die Ausschüsse im EU-Parlament oder die Kabinette der Kommissare? Das Bruegel-Institut hat eine Aufstellung zu diesen Spitzenposten erstellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Land so gut wie Deutschland an den Schaltstellen in Brüssel vertreten ist: 15 Prozent dieser Spitzenleute sind Deutsche, elf Prozent Briten und neun Prozent Italiener. Im Jahr 1999 war es noch Großbritannien gewesen, das die Rangliste bei der Verteilung der Topjobs angeführt hatte.

Frankreich besetzt derweil aktuell nur noch acht Prozent der Spitzenposten. 2009 waren es noch 17 Prozent gewesen. Man merkt das auch: Auf den Brüsseler Couloirs wird inzwischen viel weniger Französisch gesprochen.

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