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Nah und gut. In der Debatte um Tegel geht es um Regierungsflieger - und um Nostalgie.

© Thilo Rückeis

Berlins Flughäfen: Die Debatte um Tegel ist postfaktisch

Tegel liegt so zentral, vielleicht wird der BER nie fertig... Die Diskussion über die Offenhaltung von TXL hat die Fakten des allem zu Grunde liegenden Landesentwicklungsplans längst verlassen. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Vernebelt Regierungsteilhabe die Sinne einer Partei, sorgt erst die Opposition für Klarheit? Den Eindruck muss haben, wer die Äußerungen führender Berliner Christdemokraten zur künftigen Nutzung des Flughafens Tegel verfolgt – eines Flughafens, der nach geltender Rechtslage sechs Monate nach Inbetriebnahme des neuen Flughafens BER in Schönefeld geschlossen werden muss. Aber nein, nun ist auch Berlin im postfaktischen Zeitalter angekommen. Politische Grundsatzdebatten können deshalb ab sofort ohne Berücksichtigung der Realitäten geführt werden. Offenbar wirkt der Wahlerfolg der FDP ansteckend – die Freien Demokraten haben es mit dem Thema „Tegel muss offen bleiben“ im September über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft.

Während aber die FDP Tegel grundsätzlich offen halten will, reduziert CDU-Fraktionschef Florian Graf sein Plädoyer gegen die Schließung von TXL auf Regierungs-- und Geschäftsflieger. Der neue CDU-Generalsekretär Stefan Evers sieht das genauso. Beide haben jetzt Zuspruch vom SPD-Obmann im Bundestags-Verkehrsausschuss bekommen: Martin Burkert möchte ebenfalls die Regierungsflieger weiter im Norden Berlins starten und landen lassen, und außerdem der so genannten Business-Aviation Raum geben.

Befeuert wurde die Debatte von einem Papier, das der Zeitung „B.Z.“ zugespielt worden war. Das erkennbar von Experten initiierte Konzept will nicht nur die Regierungsflieger in Tegel halten, sondern dazu neben der Business-Aviation den innerdeutschen Kurzstreckenverkehr bis zur Größe des Airbus A318. Die Verfasser gehen aber davon aus, dass nur für eine vorübergehende Lösung so auf der Basis der gelten Rechtslage verfahren werden kann. Dann müssten, so wird zutreffend erkannt, das Abgeordnetenhaus von Berlin und der brandenburgische Landtag den gemeinsamen Landesentwicklungsplan für die Flughäfen (LEP FS) neu fassen und beschließen.

Auf den geltenden LEP FS stützte sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil aus dem Frühjahr 2006, mit dem es die Baufreigabe für den BER erteilte. Da wog das Gericht die in Schönefeld zu erwartenden, wachsenden Belastungen für die Umwelt gegen die Entlastungen für die Anwohner von Tempelhof und Tegel auf und schloss sich der Ansicht der Flughafengesellschaft und der sie tragenden Eigentümer Brandenburg, Berlin und Bund an, wonach deutlich mehr Menschen künftig ohne Fluglärm leben könnten, wenn Tempelhof und Tegel geschlossen werden – „spätestens sechs Monate nach der Aufnahme des Betriebs auf der neuen Südbahn“ in Schönefeld, heißt es im Urteil.

Es ist eine Menge West-Berliner Nostalgie im Spiel

Mit dem Begriff des Betriebs auf der neuen Südbahn kann man freilich spielen. Bereits einmal, bei der Sanierung der Nordbahn, wurde die Südpiste genutzt - allerdings nicht in voller Länge. Dies nun noch einmal zu wiederholen, und zudem für einen längeren Zeitraum, käme einem Winkeladvokatentrick ziemlich nahe.

Tatsächlich ist der Vorwurf der CDU-Politiker Florian Graf und Stefan Evers, man müsse nun aktiv werden, weil Rot-Rot- Grün alle Wachstumsziele für BER gekippt habe, nicht haltbar. R2G hat sich gegen eine dritte Startbahn ausgesprochen und für sieben Stunden Nachtruhe. Eine dritte Startbahn hatte auch die Rot- Schwarze Koalition nicht gefordert. Die Möglichkeiten für solche Planungen sind, Koalitionsvertrag hin oder her, unbenommen. Bereits jetzt sind zwei Drittel der benötigten Flächen in der Hand des Bundes oder des Landes Berlin, wie der Tagesspiegel 2012 in einer Recherche nachwies.

Das Wachstumsproblem des BER liegt jedoch nicht bei den Startkapazitäten – die Startbahnen reichen für bis zu 40 Millionen Passagiere im Jahr. Bei der Eröffnung 2017 oder 2018 werden vermutlich 32 Millionen erreicht. Der Engpass entsteht in der Abfertigung. Das weiß die Flughafengesellschaft. Ein Satelittenterminal ist in Planung. Eng wird es hingegen bei den Zufahrten zum BER, sollte hier der gesamte Passagier-Verkehr abgewickelt werden. Weder die jetzige noch die vorherige Koalition haben für die Schaffung neuer Schienen- und Straßenkapazitäten genügend Druck gemacht. Aber zur Erinnerung: Von und nach Tegel gelangen jährlich 21 Millionen Passagiere, ohne dass es irgendeine Schienenanbindung gibt.

Nein, hier ist viel West-Berliner Nostalgie im Spiel: Tegel liegt so schön zentral, vielleicht wird BER ja nie fertig...und die Business-Flieger wissen nicht, wohin. Die Wahrheit ist, dass sich der zivile Flugverkehr nicht vernünftig zwischen Tegel und dem BER aufteilen lässt und dass man Airlines nicht auf einen bestimmten Flughafen zwingen könnte. Ein Verbleib der Regierungsflieger in Tegel würde zwar Baukosten in Schönefeld ersparen, aber auch in Tegel ist das Regierungsterminal nur ein Provisorium. Aus der geplanten Wohnbebauung im Osten des Flughafens würde nichts – 5000 Wohnungen weniger in einer wachsenden Stadt. Und die für eine wirtschaftliche Entwicklung der Stadt so wichtige Ansiedlung der Urban Tech Republic rund um das jetzige Hauptterminal könnte man ebenfalls streichen. So sind die Fakten.

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