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Schule oder Flughafen? In Berlin weiß man es nie so genau. Das hier wird ein Airport - wahrscheinlich.

© Ralf Hirschberger/dpa

Berlins Schrottimmobilien: Wir brauchen einen Sündenbock!

Politische Zeichen und Symbole ersetzen und reparieren politische Fehlentwicklungen nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Martenstein

Wir schreiben 2017, und wir wissen weder, wann dieser verfluchte Flughafen fertig sein wird, noch, wie viel der Schlamassel am Ende kostet. Statt besser wird es immer nur schlimmer. Inzwischen kann man nicht mal mehr mit Gewissheit sagen, was eigentlich bei dem BER-Fiasko das Hauptproblem ist. Wenn man 2012 einfach den Pfuschbau abgebrochen und irgendwo komplett neu angefangen hätte, vielleicht sogar am gleichen Standort, dann, wer weiß… Nein, so denken die Menschen nicht.

Was tun denn Roulettespieler, die hoch verloren haben? Oder Aktienspekulanten? Statt den Verlust hinzunehmen, spielen sie oft einfach weiter. Man will sich die Niederlage nicht eingestehen und reitet sich deshalb immer mehr in den Sumpf. Je tiefer die Aktie sinkt, desto schlechter wird einem bei dem Gedanken, sie zu verkaufen, erst dann, denkt man, wird der Verlust real.

Irgendwann ist der Flughafen fertig. Milliarden an Steuergeldern werden verschwunden und keiner wird schuld sein, klar.

In der vergangenen Woche wurde in dieser Zeitung berichtet, dass die Berliner Schulen buchstäblich kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Milliarden wären nötig für Sanierungen und Neubau – wo sind die bloß? Aber selbst das Geld, das vorhanden wäre, hilft nicht weiter, wegen der Bürokratie, wegen des berühmten Berliner Schneckentempos, lesen Sie’s nach. Nach nichts sehnen sich die meisten Menschen in dieser Stadt, politisch gesehen, so sehr wie nach einer funktionierenden Infrastruktur, nach gepflegten Schulen und Spielplätzen, Straßen, Nahverkehr, Bürgersteigen, flotter Verwaltung, nach all diesem normalen Zeug. Geht irgendwann mal ein Ruck durch Berlin, im Geiste Roman Herzogs?

In so einer Situation tendieren die, die es verbockt haben, in der Regel nicht zu Kurswechseln, sondern zu Symbolpolitik und zur Suche nach Sündenböcken. Vielleicht gibt es bald wieder mal eine Schulreform, damit es endlich gerechter zugeht in den Schulruinen. Wir werden vermutlich viele Appelle zu mehr Geschlechtergerechtigkeit hören, da liegt Berlin ja weit hinter Saudi-Arabien, wo sie allerdings Flughäfen haben. Wahrscheinlich werden jetzt extra viele Straßen politisch korrekt umbenannt. Die Immobilienspekulanten! Die Steuerhinterzieher! Die gierigen Manager! Klar, die sind schuld an allem.

Wenn wir all diese Milliarden hätten, die von solchen Verbrechern dem Staat vorenthalten werden, dann könnten wir nämlich nicht eine BER-Baustelle finanzieren, sondern vier oder fünf, und zwar gerechte, die werden nämlich alle nach Frauen und Antifaschisten benannt. In der Türkei ist ja die Gülen-Bewegung an allem schuld. In Berlin sind es die Kapitalisten, die manipulieren nachts heimlich die Hydraulik der Entrauchungsanlage.

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