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Bernhard Vogel: Der schwarze Bruder

Ein Unikat in der Politik:Bernhard Vogel wird 75.

Noch immer sieht man ihn bei Veranstaltungen, wenn auch – als Vorsitzender der Adenauer-Stiftung – mehr am Rande der Politik: der weiße Haarschopf, dazu der raumgreifende Pfadfinderschritt auf dem Weg zum Rednerpult. Aber um zu begreifen, was Bernhard Vogel ist, braucht es schon den Blick auf das letzte halbe Jahrhundert dieser Republik. Denn er hat darin markante Spuren hinterlassen: eine herausragende politische Laufbahn und den raren Fall einer Persönlichkeit, die von kaum jemanden angefochten wird. Im Buch der politischen Unikate steht er auch: Als einziger Ministerpräsident hat er in zwei Ländern regiert, und das auch noch im Westen und im Osten. Und zusammen mit seinem Bruder Hans-Jochen, dem SPD-Politiker, bereichert der CDU-Politiker die deutsche Demokratie um das Beispiel einer gelungen-gelebten politischen Verbindung: kein politischer Bruder-Krieg, sondern schwarz-roter Bruder-Frieden.

Als Politiker wurzelt Bernhard Vogel in der fruchtbaren Phase, in der die CDU aus der Adenauer-Ära herauszuwachsen begann. Einzug in den Bundestag 1965, zwei Jahre später in der jungen Crew des vorwärtsstürmenden Helmut Kohl – zu ihr gehörte auch Heiner Geißler – Kulturminister in Rheinland- Pfalz, 1976 Ministerpräsident in Kohls Nachfolge. Mit seinen Ämtern und seinem Einfluss verkörpert Vogel eine eigen, bürgerlich- konservative Ausprägung der Partei. Denn der studierte Politologe, Schüler von Dolf Sternberger, dem Heidelberger Präzeptor des deutschen Nachkriegs-Demokratie-Bewusstseins, hätte gut eine akademische Laufbahn einschlagen können. Und der Katholik Vogel war von 1972 bis 1976 auch Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.

Doch dieses bemerkenswerte politische Leben hat, sozusagen in der Mitte, eine denkwürdige Zäsur. Nach zwölf Ministerpräsidenten-Jahren passierte Vogel etwas in der CDU bis dahin nicht Dagewesenes: Ein aufwallendes Unbehagen in der Partei kippte ihn – sein fassungsloses „Gott schütze Rheinland-Pfalz“, mit dem er den Parteitag verließ, ging in die politische Geschichte ein. Indessen steckte in dem Desaster auch der Keim einer Zukunft, die Vogel als „das größte Abenteuer meines Lebens“ empfindet: Er wäre sonst 1992 kaum Ministerpräsident von Thüringen geworden. Gewiss, eine Notoperation, um das neue Bundesland für die CDU zu retten, aber sie wurde zur Erfolgsgeschichte. Auch für Vogel selbst, der heute bekennt, das „Land hat mir ungeheuer viel gegeben“, während er doch nur eingebracht habe, dass er „wusste, wie man den Wagen fährt“.

Darin zeigt sich die Bescheidenheit, die Vogel auszeichnet, aber ebenso seine grundsolide Auffassung der Politik. Das ist vielleicht auch der Grund, dass seinem Bild in der Öffentlichkeit der Glamour abgeht. Aber was wäre die Politik ohne solche Politiker? In der CDU wusste man immer, was man an ihm hat, und wählte ihn stets mit den höchsten Stimmenzahlen. Und es kann auch keinen Zweifel daran geben, dass er mit seinem moderaten Temperament und seiner politischen Klugheit ein wichtiges Stück Bundesrepublik bildete, der alten wie der neuen. Und es noch immer ist: an diesem Mittwoch wird Bernhard Vogel 75 Jahre alt. Hermann Rudolph

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