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Immer mehr prekär: Protest in Berlin im Herbst 2016.

© Klaus-Dietmar Gabbert/picture alliance-dpa

Bertelsmann veröffentlicht EU-Sozialindex: Der Wirtschaft geht's gut, den Leuten weniger

Die EU-Arbeitsmärkte erholen sich leicht, das tut auch der sozialen Gerechtigkeit gut. Aber die Union bleibt tief in Nord und Süd gespalten, stellt die Bertelsmann-Stiftung fest.

Es sieht erstmals seit Jahren wieder etwas besser aus um die soziale Gerechtigkeit in Europa. Doch der Fortschritt, den Forscher der Bertelsmann-Stiftung in ihrem jüngsten „Social Justice Index“ für 2017 feststellen, ist im Schnitt aller 28 untersuchten EU-Länder vorerst bescheiden. Und Deutschland, die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents, verharrt, was Gleichheit angeht, auf einem mäßigen siebten Platz - wie schon in den beiden letzten Jahren und zu Beginn der Untersuchung 2008.
Der entsprechende Faktor, den das Team aus sechs Kriterien errechnete - Armutsvermeidung, Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt, sozialer Zusammenhalt, Gesundheit und Generationengerechtigkeit – kletterte EU-weit in einem Jahr von 5,75 auf 5,85, in Deutschland von 6,57 auf 6,71.

Der hohe Norden der EU ist besonders gerecht

Während der deutsche Staat Spitzenreiter bei der Reduzierung der Staatsschulden ist - zwischen 2010 und 2016 um 13 Prozentpunkte -, und Arbeitsmarkt und Wirtschaft „brummen“ wie Studienleiter Daniel Schraad-Tischler schreibt, hinkt die Lebensqualität hinterher: So ist das Risiko, im Alter arm zu sein und sozial abgehängt, im selben Zeitraum um 3,5 Prozentpunkte gestiegen – das ist nicht besser als im EU-Schnitt. Bildung und soziale Herkunft bleiben ebenfalls stark verknüpft. Hier hat sich Deutschland zwar vom EU-Kellerplatz 23 in sechs Jahren auf 17 vorgearbeitet, bleibt so aber in der unteren Tabellenhälfte. Was die Arbeitsplatzchancen von Menschen angeht, die nicht hier geboren sind, steht das Land ebenfalls an 23. Stelle der 28 EU-Staaten. Insgesamt ist in Deutschland der Anteil an Niedriglöhnern an allen Beschäftigten der höchste in Europa, bei den "Working Poor", also denen, die trotz Arbeit arm sind, liegt es im Mittelfeld.

Insgesamt bildet die Studie weiter ein deutliches Nord-Süd-Gefälle innerhalb Europas ab. Während Dänemark, Schweden und Finnland die Rangliste sozial gerechter Gesellschaften anführen – und auch Tschechien, Slowenien und die Niederlande noch vor Deutschland rangieren – finden sich Bulgarien, Rumänien und Griechenland auf den drei letzten Plätzen der Liste. Unmittelbar davor steht EU-Gründungsmitglied Italien und, wenig besser, Spanien. In puncto Generationengerechtigkeit liegen Portugal, Spanien und Italien sogar hinter den beiden Balkanländern. Italiens Anteil junger Leute, die weder Arbeit haben noch eine Ausbildung, ist der höchste in Europa.

Dauerschlusslicht Griechenland

Dass die Daten insgesamt in Europa wenigstens etwas nach oben zeigen, führen die Fachleute allerdings auf die gesamteuropäisch verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt zurück. 2013 lag die Arbeitslosigkeit mit 11 Prozent im EU-Schnitt auf dem Höhepunkt, inzwischen ist sie auf 8,7 Prozent gesunken. Selbst Schlusslicht Griechenland erlebte eine leichte Verbesserung, von 25,1 Prozent Arbeitslosigkeit im letzten Jahr auf 23,7 in diesem. Die Studie malt dennoch ein düsteres Bild: Griechenland gehe es "messbar schlechter als bei unserer ersten Untersuchung 2008" - also als die Finanzkrise begann. Die habe sich zerstörerisch ausgewirkt, schreibt das Bertelsmann-Team. Allein die Zahl der griechischen Kinder, die unter schwierigsten Bedingungen lebten, beispielsweise in unbeheizten Wohnungen, sei in dieser Zeit auf mehr als das Doppelte geklettert. Und auch Verantwortliche außerhalb der Landesgrenzen werden wird benannt: Die internationalen Hilfspakete gegen die Krise hätten "bestehende soziale Probleme verschärft".

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