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Politik: Beruf Papst

Von Peter von Becker

Sieben biblische Propheten und fünf sibyllinische Wahrsagerinnen begleiten die Wahl des neuen Papstes, wenn sich die Kardinäle ab heute in der Sixtinischen Kapelle des Vatikans zum Konklave versammeln. Wie eine hellsichtige Pointe hat Michelangelo eben dort die Zukunftsleser zwischen Schöpfung und Jüngstem Gericht an die Wand gemalt. Zum Stellvertreter Christi gehören so auch die Stellvertreter der Auguren, die nun in aller Welt über die Person des nächsten Pontifex rätseln.

Gerade hat ein amerikanischer Verlag den 2002 erschienenen Thriller „Conclave“ des Autors Greg Tobin in hoher Auflage nachgedruckt. Der Roman erzählt, wie sich die Kardinäle in der Sixtina nach schier endlosen Wahlgängen als Kompromiss auf einen philippinischen Papst einigen. Dieser wird sechs Monate später von einem islamistischen Selbstmordattentäter getötet – daraufhin wählt das Konklave erstmals einen Amerikaner zum Kirchenoberhaupt. Eine Fiktion, die schon mit der neuen weltpolitischen Bedeutung des Pontifex spekuliert.

Für realistische Prognosen gilt in Rom allerdings nur eine Regel: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder heraus. Da geht es den vermeintlichen Favoriten etwa so wie den Spitzenkandidaten beim Literaturnobelpreis. Und doch steht das Konklave diesmal unter außergewöhnlichen, über den Klerus hinausweisenden Vorzeichen. Bei Johannes Paul II. sind ja zum ersten Mal Leben und Tod eines Papstes zum Ereignis der gesamten, nicht nur christlichen oder europäisch geprägten Welt geworden.

Folglich lastet auf dem Nachfolger nicht bloß der berühmte Schatten des Vorgängers. Er soll vielmehr auch dessen Licht weiterleuchten lassen. Das freilich ist mehr als nur eine Frage der Person. Johannes Paul II. nannte sich „glücklich“, er hatte Fortüne: Der Fall des Kommunismus machte den polnischen Papst zum Freiheitsapostel, nach dem 11. September 2001 und mit dem Irakkrieg wurde er auch zum weltlich verehrten Friedenskönig. So viel Wind der Geschichte lüftet selten das päpstliche Ornat.

Der Begriff Konklave kommt zwar vom lateinischen „cum clave“, das heißt „mit dem Schlüssel“ – und schließt an die von Petrus empfangene Botschaft an „Dir gebe ich den Schlüssel des Himmelreiches.“ Ein Papst nach Johannes Paul II. aber braucht auch einen Schlüssel zur irdischen Welt. Früher war die katholische Kirche ohnehin ein handfester Machtfaktor. Und sie ist es in Süditalien oder Südamerika bis heute noch.

Doch ihre wahre Macht liegt in Zeiten der wirtschaftlichen Globalisierung im Spirituellen, Kulturellen und Sozialen. Fanatischer, oft nur religiös verbrämter Fundamentalismus und ein über soziale und ethische Bindungen sich hinwegsetzender Neoliberalismus sind die Gegenpole. Karol Wojtyla war in der Mitte zwischen beiden ein fundamentaler Wertkonservativer. Hier läge nun die Herausforderung und Chance eines Nachfolgers.

Durch Wojtyla und eine veränderte Welt hat sich der Beruf Papst gewandelt. Seine Mission bedeutet Mobilität. Mehr Weltoffenheit. Dabei könnte sich ein wirklich neuer Papst vom Wertkonservativen auch zum Wertprogressiven steigern. Würde die Kirche etwa die Freiheit des Denkens, der körperlichen wie der geistigen Liebe und dazu die interkonfessionelle Toleranz stärken, wäre sie eine glaubwürdigere Kraft: in jedem Konflikt. Religion und säkulare Ethik wären dann, das gilt nicht nur in der Schule, keine sich ausschließenden Gegensätze.

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