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Politik: Berufswunsch: Terrorist

Alte Afghanistan-Kämpfer werben in den Niederlanden gezielt frustrierte Einwandererkinder an – sie sollen für Al Qaida töten

Von Rolf Brockschmidt

und Klaus Bachmann

Die Nachricht aus Kaschmir ließ den Geheimdienst in Den Haag aufhorchen. Zwei junge Niederländer marokkanischer Abstammung aus Eindhoven waren im Januar unter ungeklärten Umständen im indischen Teil Kaschmirs ums Leben gekommen. Offenbar wollten die beiden nach Pakistan. Die Recherchen des niederländischen Geheimdienstes AIVD ergaben, dass sie von radikalen Moslems in den Niederlanden für den Heiligen Krieg gegen den Westen angeworben worden waren. Und sie sind offenbar nicht die Einzigen. Geheimdienstchef Sybrand van Hulst stellte jetzt einen Bericht vor, in dem der AIVD vor einer zunehmenden Gefahr durch in den Niederlanden angeworbene Selbstmordattentäter der Al Qaida warnt.

Mehrere Dutzend Kämpfer seien vor dem Sturz der Taliban in afghanischen Trainingslagern ausgebildet worden und trainierten nun im Untergrund in Europa weiter für ihre Einsätze, erklärte van Hulst. Die niederländischen Ermittlungsbehörden sind schon seit längerer Zeit im Besitz von Abschiedsbriefen und Testamenten junger Leute, die sich als Attentäter zur Verfügung gestellt haben.

In dem Bericht wird der Vorfall in Kaschmir als Beleg dafür gewertet, dass islamistische Terrorgruppen versuchen, in Westeuropa Fuß zu fassen – und vor Ort neue Kämpfer zu werben und auszubilden. Das Papier des niederländischen Geheimdienstes befasst sich vor allem mit den Persönlichkeitsprofilen der Anwerber und der potenziellen Attentäter. Die Anwerber konzentrieren sich demnach vor allem auf Niederländer überwiegend marokkanischer Herkunft, die in der zweiten und dritten Generation dort leben, Niederländisch gut und Arabisch schlecht sprechen. In dieser Gruppe werden 18 bis 32 Jahre alte Männer als besonders gefährdet eingestuft. Sie sind noch auf der Suche nach ihrer Identität, werfen der niederländischen Gesellschaft vor, andere Ethnien und den Islam nicht zu respektieren. Ein Vorwurf, den sie auch ihren Eltern machen, die zwar in die Moschee gehen, gleichzeitig jedoch die westliche Lebensweise akzeptieren. Der radikalislamische Glaube bietet diesen Jugendlichen eine neue Orientierung. Viele von ihnen sind zuvor straffällig geworden und versuchen, sich über die Religion von ihrer kriminellen Karriere zu lösen. Insgesamt leben 250 000 Bürger marokkanischer Herkunft in den Niederlanden.

Die Anwerber der jungen Attentäter sind nach Erkenntnissen des AIVD weitgehend Männer mit Mudschahedin-Erfahrung, die in Afghanistan gekämpft hatten und sich seit den achtziger Jahren im Westen aufhalten. Sie kommen vorwiegend aus Mauretanien, Libyen und Algerien. Auf Grund ihrer Kriegserfahrungen haben sie ein dichtes Netzwerk in Afghanistan und Pakistan und auch Kontakte zu Al Qaida. Sie werden von den Jugendlichen als Führer und geistige Größen akzeptiert. Das religiöse Wissen der Werber ist nach dem Bericht nicht sehr ausgeprägt, aber deutlich umfangreicher als die rudimentären Kenntnisse der Immigrantenkinder. Ihre Kampferfahrung stärkt ihre Autorität. Die Anwerber streben eine bedeutende Position in den Moscheen an, um Autorität und Ansehen zu gewinnen – gleichzeitig leben sie sehr zurückgezogen. Der Kontakt zu den jungen Männern wird meist in den Moscheen, aber auch in Kaffeehäusern, Internetforen und in Gefängnissen geknüpft.

Die Terroristen wollten aber nicht nur den gewalttätigen Kampf organisieren, heißt es in dem Bericht des Geheimdienstes, sondern auch die westlichen Gesellschaften destabilisieren. Sie seien darauf aus, Vorurteile gegen den Islam zu verstärken, um die Kluft zwischen Moslems und Nicht-Moslems zu vergrößern. Damit wollten sie Spannungen fördern, die letztlich auch zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen könnten.

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