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Politik: Besondere Beziehung – zu den USA und zu Europa Tony Blair sucht nach einem Kompromiss beim Strafgerichtshof

Von Matthias Thibaut, London Tony Blair, der Pendeldiplomat der Ära nach dem 11. September, will eine Brücke zwischen Europa und Amerika bauen.

Von Matthias Thibaut, London

Tony Blair, der Pendeldiplomat der Ära nach dem 11. September, will eine Brücke zwischen Europa und Amerika bauen. Daraus droht ein Spagat zu werden, der schmerzhaft an den Sehnen zerrt. Im Streit um den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) stehen auch die britisch-amerikanischen Beziehungen auf dem Prüfstand. Nie gerieten die Diplomaten der beiden Länder so hart aneinander wie in diesen Tagen.

Dabei ist die Liste der anstößigen Themen schon so ziemlich lang. Differenzen um die Friedenspolitik in Afghanistan, Pläne für den Angriff auf den Irak, überhaupt das Thema „Regimewechsel“. Bush schickt Palästinenserpräsident Arafat in die Wüste – fast demonstrativ fuhr daraufhin ein hoher Beamter des britischen Außenministeriums zum Arafat-Besuch. Bushs Stahlzölle und die steigenden amerikanischen Agrarsubventionen lassen den Globalisierer Tony Blair immer schlechter aussehen. Dennoch betonte Blair es vergangene Woche noch einmal: „Die besondere Beziehung zu den USA ist wichtig. Sie ist in fantastischem Zustand und das wird so bleiben, so lange ich Premier bin.“

Nun glauben die USA, dass antiamerikanische Staaten und übereifrige Rechtsanwälte nur darauf warten, amerikanische Soldaten vor das neue Weltgericht zu zerren und wollen nicht mitmachen. Und ausgerechnet London muss als vorsitzführendes Mitglied im UN-Sicherheitsrat federführend einen Kompromiss finden. Europäische Regierungen, die Amerikas diplomatische Alleingänge immer kritischer verfolgen, warten gespannt, wie sich Blair aus der Affäre zieht.

Wie eine Lösung aussehen könnte, darüber verhandelt nun der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock. Als mögliche Kompromissformel ist in London das Wort „Komplementaritätsprinzip“ zu vernehmen. Nach britischer Interpretation untersucht das ICC Kriegsverbrechen nur in Fällen, in denen ein Land das nicht selbst tun kann. Und da die USA und Großbritannien – natürlich über die „geeigneten Systeme“ verfügen, ist eine Anklage britischer oder amerikanischer Soldaten vor dem Strafgericht so gut wie ausgeschlossen.

Dass es eine Lösung geben muss, ist in London unbestritten. Auch dass Europa an den Prinzipien des ICC Vertrags festhalten muss. Deshalb vertritt London in internationalen Verhandlungen stets eine europäische Position. Aber auch an jenem anderen Prinzip der britischen Außenpolitik wird nicht gerüttelt: Dass man nicht zwischen den USA und Europa wählen muss.

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