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Politik: Bestandsaufnahme - Waffenhändler Karlheinz Schreiber sorgt mit seinem Geldkoffer für ein Drama für die ganze Partei

"Wenn Sie mir vor einem halben Jahr eine Geschichte angeboten hätten, dass in der Schweiz eine Million Mark in bar als Spende an die CDU übergeben wird, hätte ich gesagt: Schlechter Krimi." FDP-General Guido Westerwelle ist nicht der einzige, der die Welt nicht mehr versteht.

Von Robert Birnbaum

"Wenn Sie mir vor einem halben Jahr eine Geschichte angeboten hätten, dass in der Schweiz eine Million Mark in bar als Spende an die CDU übergeben wird, hätte ich gesagt: Schlechter Krimi." FDP-General Guido Westerwelle ist nicht der einzige, der die Welt nicht mehr versteht. Der schlechte Krimi um den Geldkoffer des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber hat sich zum Drama für eine ganze Partei entwickelt - mit wechselnden Hauptdarstellern.

Es liegt im Wesen von Skandalen, dass sie unscheinbar beginnen. Als die Staatsanwaltschaft Augsburg am 3. November vorigen Jahres Haftbefehl gegen Walther Leisler Kiep erwirkt, hat sie kaum die Folgen abgesehen. Die Ermittler, seit langem hinter Schreiber her, waren auf das Koffer-Geschäft im August 1991 gestoßen. Sie tippen auf Schmiergeld und sehen Indizien dafür, dass Kiep die Million behalten und nicht versteuert hat.

Kiep sagt aus - er entlastet sich und bringt eine Lawine ins Rollen. Das Geld sei als Spende an die CDU gedacht gewesen, verbuchte habe es Horst Weyrauch. Der langjährige Wirtschaftsberater der CDU packt ebenfalls aus. Zum Vorschein kommt jenes Labyrinth von schwarzen Konten und "sonstigen Einnahmen", in dem die CDU seither den roten Faden sucht.

Woher Schreibers Geld kam, ist so unklar wie der Zweck der Under-Cover-Transaktion. Dem Verdacht, dass es sich um ein Dankeschön des Vermittlers Schreiber für eine Panzerlieferung nach Saudi-Arabien handelte, die das Kabinett Kohl ein halbes Jahr vorher genehmigt hatte, geht ab Donnerstag der Untersuchungsausschuss des Bundestags nach.

Weyrauchs Zeugenaussage bringt den Mann ins Zwielicht, der lange im Zentrum des Skandals steht: Helmut Kohl. Inzwischen ist klar, dass Kohl mit Hilfe einiger Getreuer - darunter Weyrauch, Kiep und der langjährige Verwaltungschef des Adenauer-Hauses, Hans Terlinden - über Jahre hinweg illegale Spenden kassiert hat. Bis zu zwei Millionen Mark seit 1993 hat er eingeräumt. Das Geld verschwand im Normalfall in Weyrauchs Kontenlabyrinth und tauchte irgendwann als "sonstige Einnahme" in der offiziellen CDU-Kasse wieder auf. Andere Gelder flossen ohne jede Verbuchung bei der CDU zum Empfänger. Die Namen der Spender verschweigt Kohl.

Die Staatsanwaltschaft Bonn ermittelt nun wegen Untreue - Kohls Praxis hat seine Partei womöglich einen siebenstelligen Betrag an Staatsmitteln gekostet, die ihr bei ordentlicher Verbuchung zugestanden hätten. Dass die CDU wegen Verstosses gegen das Parteiengesetz obendrein mit einer eher zwei- als einstelligen Millionenstrafe rechnen muss, ist für die Partei schmerzhaft, interessiert die Justiz aber nicht. Millionen-Zahlungen sieht auch die Hessen-CDU auf sich zukommen: Sie gab am Freitag die Existenz eines schwarzen Auslandskontos zu, von dem sie jahrelang Millionenbeträge entnommen hatte. Noch immer lägen dort 17 Millionen Mark, räumten der frühere Landesvorsitzende Manfred Kanther und der jetzige Landeschef, Ministerpräsident Roland Koch, ein. Sie korrigierten damit die Darstellung, rund 13 Millionen Mark seien der hessischen CDU aus anonymen Vermächtnissen von Verstorbenen aus Liechtenstein zugeflossen.

Liegt die Herkunft der Kohl-Gelder völlig im Dunkeln, gilt für die Verwendung: Ganz Genaues weiß man nicht. Der Wirtschaftsprüfer Hendrik Hollweg, der für die CDU im Kontensumpf wühlt, stößt auf immer neue Konten und Überraschungen. Da hat der inzwischen verstorbene CDU-Landeschef Ottfried Hennig 100 000 Mark in bar bekommen, von deren Verbleib niemand etwas wissen will. Das Gehalt eines Generalsekretärs in Angela Merkels Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wurde auf West-Niveau gehoben - an sich in Ordnung, aber warum aus der Schwarz-Kasse? Nicht nur anonyme Spender haben das System gespeist; in einem Fall ist die Herkunft offensichtlich: Gut 1,15 Millionen Mark in bar flossen am Jahreswechsel 1996/97 von der Unionsfraktion in den Weyrauch-Sumpf. Den Großteil davon soll die Partei vor grauen Zeiten der Fraktion für gemeinsame Projekte überwiesen haben - so ganz genau, sagen die damaligen Fraktionsoberen unter dem Fraktionschef Wolfgang Schäuble, erinnere sich niemand. So ganz intensiv scheint die Nachforschung aber auch nicht betrieben zu werden. Banken bewahren Konten-Unterlagen 30 Jahre auf - Eröffnungsbestand und weitere Geldbewegungen müssten mindestens in nackten Zahlen zu rekonstruieren sein. Ob und was Schäuble als Fraktionsgeschäftsführer von 1981 bis 84 mit dem Konto zu tun hatte, ist unklar.

In einem anderen Fall hat Schäuble etwas gewusst - und bis zu einem späten TV-Geständnis geschwiegen. Auch er hat Bargeld von Schreiber bekommen: 100 000 Mark im Jahr 1994. Auch dieser Betrag verschwand im Weyrauchschen System, auch dieser Spender blieb anonym. Brigitte Baumeister, damals CDU-Schatzmeisterin, hat die Schuld für die illegale Buchung auf sich genommen: Schäuble habe ihr das Geld gegeben, Schreiber aber auf eine Quittung verzichtet. Mit Hilfe Kieps und Weyrauchs sei das Geld aus ihrem Tresor gewandert und 1995 als "sonstige Einnahme" aufgetaucht; Schäuble habe davon nicht gewusst.

Schäuble hätte sich danach an sich nichts vorzuwerfen. Doch als der Bundestag am 2. Dezember 1998 den Untersuchungsausschuss wg. Kohl einsetzte, hat der CDU-Chef nicht die Wahrheit gesagt. Er verschwieg in der Debatte die Schreiber-Spende, obwohl der Grüne Ströbele unmissverständlich nach Geldtransfers gefragt hatte. Auch den CDU-Gremien sagte Schäuble nicht klar und deutlich, dass er selbst Geld entgegengenommen hatte. Einer aber wusste von Schreibers Umschlag für Schäuble: Helmut Kohl hat sich schon 1997 bei Baumeister kundig gemacht, als der Name Schreiber im Zusammenhang mit den Augsburger Ermittlungen auftauchte.

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