zum Hauptinhalt

Bestattungskosten: Wenn das eigene Grab zum Luxus wird

Immer mehr Menschen lassen sich verbrennen oder anonym bestatten - eine gewöhnliche Beerdigung können sich viele nicht mehr leisten.

Platzprobleme gibt es auf diesem Friedhof schon lange nicht mehr. Im vorderen Teil sind viele Grabstellen verwaist, die Marmor- und Granitsteine wirken wie hingeworfen auf dem weiten Areal. Hinter der Kapelle dagegen, an der Mauer mit den Urnen, steht ein Name neben, unter und über dem andern. Immer mehr Angehörige entscheiden sich, oft auf ausdrücklichenWunsch der Verstorbenen hin, für die letzte Ruhestätte im quadratisch-praktischen Steinblock. Und wissen dann nicht, wohin mit ihrer Trauer. Vor der Gräberwand liegen Blumengestecke - von denen keiner weiß, welchem Verstorbenen sie zugedacht sind.

Auch das Rosenbeet für die anonym Bestatteten wird größer und größer in diesem Städtchen, wo eigentlich noch jeder jeden kennen müsste. 8000 Einwohner zählt der Frankenwaldort Naila. Doch der Trend zu anonymen oder möglichst pflegeleichten Grabstellen ist längst kein Großstadtphänomen mehr. Die Gründe sind dieselben wie in den Metropolen: Vereinsamung, überlastete oder anderswo lebende Angehörige - und hohe Kosten. Seit 2004 wird kein Sterbegeld mehr gezahlt. Und die Grabgebühren sind allein in den vergangenen drei Jahren im Schnitt um 300 Euro gestiegen - das ist eine Erhöhung um 30 Prozent.

Schon ohne Grabmal und Grabpflege kostet eine durchschnittliche Beerdigung inzwischen mehr als 5000 Euro. Kein Wunder, dass viele dann wenigstens bei den Grabgebühren zu sparen versuchen. Bei Erdgräbern liegt die Gebühr mancherorts bei mehr als 3000 Euro. Da die Menschen seit dem Wegfall des Sterbegeldes stärker auf Beerdigungskosten achten müss ten, gebe es immer mehr Urnenbegräbnisse, sagt der geschäftsführende Vorsitzende der Deutschen Hospizstiftung, Eugen Brysch. Tatsächlich hat sich ihr Anteil in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt, in deutschen Großstädten beträgt er längst mehr als die Hälfte.

Die Folge davon: immer mehr Platz auf den Friedhöfen. Die Freiflächen jedoch verursachten hohe Instandhaltungskosten, die sich die Gemeinden wieder über steigende Grabgebühren hereinholten. "Ein Teufelskreis", so Brysch. Die Freiflächen seien nichts anderes als Parkanlagen, für ihre Pflege dürfe man nicht die Angehörigen von Verstorbenen zur Kasse bit ten. Stattdessen müssten die Friedhöfe verkleinert werden, fordert der Stiftungsvorsitzende. "Der unverschämte Griff der Gemeinden in die Taschen der Bürger muss endlich ein Ende haben." Nach Bryschs Angaben erwägt inzwischen "gut jeder fünfte Deutsche" eine anonyme Bestattung, "und es ist auch der Kostendruck, der die Menschen dazu treibt". Leidtragende seien "die Hinterbliebenen, die sich einen angemessenen Ort für ihre Trauer nicht mehr leisten können".

In Großstädten wie Hamburg werden inzwischen bis zu 50 Prozent der Verstorbenen anonym und meist auch ohne Trauerfeier bestattet. Vieles davon erfolgt "von Amts wegen". Wenn weder Freunde noch Verwandte für die Beerdigung aufkommen, sorgt das Ordnungsamt für die kostengünstige Beisetzung auf einem anonymen Gräberfeld. In Köln, Leverkusen, Hannover, Essen oder Erfurt etwa hat das bereits die Kirchen auf den Plan gerufen. Dort gibt es neuerdings Gottesdienste, bei denen dieser Verstorbenen gedacht wird. "Wir waren schockiert, als wir erfahren haben, dass in Essen jedes Jahr rund 400 Menschen ohne Trauerfeier regelrecht entsorgt werden", sagt der evangelische Pfarrer Gerd Hohagen. Er hat in der Ruhrgebietsstadt einen ökumenischen Arbeitskreis mitgegründet, der Namenlose vor dem Vergessen bewahren will. "Wir wollen ein Zeichen gegen die Anonymität und das Vergessen setzen", ergänzt sein katholischer Kollege Gerd Belker. "Denn eine Kultur, die das Gedenken vergisst, tötet sich selbst." Seit Januar laden die Essener Kirchen monatlich zu ökumenischen Gedenkgottesdiensten für die "Unbedachten dieser Stadt". Dabei werden die Namen der Verstorbenen verlesen und in eine Liste eingetragen.

Auch in der Kölner Innenstadt gibt es einmal im Monat solche "Gedenkfeiern, auch dort stehen die Namen in einem Gedenkbuch. Die Namenskennzeichnung auf Gräbern sei "mehr als nur ein bürokratischer Vorgang", betont der Erfurter Bischof Joachim Wanke. "Sie ist Ausdruck der Personenwürde eines Menschen, der auch im Tod nicht seine Identität, seinen Namen verliert." Angehörige erfüllten "manchmal sehr schnell den Wunsch der Verstorbenen, keine Umstände nach ihrem Tod zu machen". Erst später und oft zu spät aber merke man, was das für die Hinterbliebenen bedeutet. "Es fehlt ihnen ein Ort für ihre Trauer." mit KNA

Zur Startseite