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Politik: Bestenfalls durchsichtig

Es könnte sein, dass das Fliegen jetzt überhaupt keinen Spaß mehr macht. Denn war es früher nicht so, dass wir an Bord immer jenes seltsam handgenähte Lebensgefühl zeigen durften, das die Kolumnisten von Lebensstil-Magazinen „Savoir vivre“ nennen?

Es könnte sein, dass das Fliegen jetzt überhaupt keinen Spaß mehr macht. Denn war es früher nicht so, dass wir an Bord immer jenes seltsam handgenähte Lebensgefühl zeigen durften, das die Kolumnisten von Lebensstil-Magazinen „Savoir vivre“ nennen? Jene Ausstellung von kostspieligen Gegenständen, mit denen wir uns und den anderen zeigen, dass wir das Prekariat nicht zu fürchten haben und das abgehängte Prekariat schon gar nicht?

Vorbei. Es fängt schon mal damit an, dass wir ab sofort auf keinem EU-Flughafen mehr ein Kosmetikköfferchen an Bord mitnehmen dürfen.Wenn Sie jetzt „häh?“ fragen, sind Sie ein Mann, wenn Sie in bittere Tränen ausbrechen, eine Frau. Wir als Männer wissen ja nicht einmal, was alles drin ist in den Dingern. Nasenmilch und After-Eight-Creme, Kajal und Ka-Zong, Fixativ und Fixogum, zehn verschiedene Puder und Lidschatten? Neuerdings vermutlich auch noch ein wenig Botox, falls die Lider in der Kabinenluft vorzeitig welken und so unangenehm über dem Tomatensaft hängen. (Salz und Pfeffer, bitte.)

Das muss künftig alles im Großgepäck mitreisen, in dem sowieso schon kein Platz ist, ein kosmetisch-ästhetisches Desaster höchsten Grades. Wir dürfen vermuten, dass vor allem international tätige Top-Models nun praktisch berufsunfähig sind. Erlaubt sind nur noch Winzmengen in durchsichtigen Plastiktüten. Durchsichtig! Plastiktüten! Das ist fast noch schlimmer: Die gibt es nicht in Känguruleder, weder von Pracci noch von Gabba, das sieht immer nach Aldi-Süd aus oder sogar nach Aldi-Nord, was als noch prekärer gelten muss.

Um dem Text die frauenfeindliche Spitze zu nehmen: Männer müssen ebenso leiden unter den neuen Bestimmungen. 56 mal 46 mal 25 sind die neuen Idealmaße des Kabinengepäcks, verdammt wenig für einen rechtschaffenen Managerkoffer. Dessen Symbolik geht ja so: Der Besitzer stemmt ihn auf jeden Fall mit viel Getue ins Gepäckfach, um zu zeigen: Hey, ich bin so wichtig und gehetzt, dass das blöde Warten auf den Koffer an der Gepäckausgabe nicht drin ist. Zahlt doch keiner, die Zeit!

Ja, auch hier müssen nun Gepäckstücke aussortiert werden, auch hier geht der Trend stark in Richtung Gleichmacherei. Das Ende ist aber längst nicht erreicht! Einige Jahre und einige Terroranschläge weiter wird Fliegen nur noch nackt möglich sein. Abgeschminkt, nüchtern, ohne jegliches Handgepäck. Kleiner Bonus für die Passagiere höherer Klassen: Sie dürfen wenigstens noch Unterwäsche tragen, in der ersten jedenfalls. Business: bestenfalls durchsichtig.

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