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Besuch aus Russland: Neuer Mann, alte Themen

Russlands Präsident Medwedew kommt nach Berlin - es geht um Beziehungen und Befindlichkeiten.

Deutschland ist das erste europäische Land, dem Dmitri Medwedew heute als neuer Präsident Russlands seine Aufwartung macht. Aus gutem Grund. Schon beim Moskaubesuch von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, dem ersten ausländischen Besucher von Rang nach Medwedews Amtseinführung, hatte der Präsident den „privilegierten Charakter“ der Beziehungen zu Deutschland gelobt, die „auf einem sehr hohen Niveau“ stünden.

Davon zeugt nicht zuletzt der bilaterale Außenhandelsumsatz von rund 56 Milliarden Euro. Für hiesige Politiker und Konzernlenker ist das Ende der Fahnenstange damit noch lange nicht erreicht. Medwedew, so meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti, wolle in Berlin für weitere Schritte zum Aufbau einer internationalen Energieallianz und für den Einstieg russischer Konzerne bei deutschen Topunternehmen werben, vor allem im Maschinenbau und bei Hochtechnologien. Auch in der Hoffnung, damit jenes Know-how zu erlangen, das Russland für die geplante Diversifizierung seiner Wirtschaft braucht: weg vom bloßen Rohstoffexporteur, hin zu einer Wertschöpfungskette im eigenen Land. Das, so Medwedew im Vorfeld der Visite, entspreche voll und ganz „modernen Vorstellungen von weltweiter Arbeitsteilung“.

Russische Konzerne wollen allerdings nicht nur in Deutschland verstärkt auf Einkaufstour gehen. Berlin soll vielmehr auch als Türöffner für andere europäische Märkte fungieren. Voraussetzung dafür sind weitere Visaerleichterungen, über die Medwedew ebenfalls mit Bundeskanzlerin Angela Merkel reden will. Das allerdings setzt Gegenseitigkeit voraus, und da hat Russland noch enormen Nachholbedarf. Erst Anfang Mai hatte sich die EU-Kommission in Brüssel offiziell über immer neue bürokratische Hürden bei der Erteilung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen für Spezialisten aus Westeuropa in Russland beschwert.

Um eine Diskussion zu russischen Demokratiedefiziten dürfte Medwedew ebenfalls kaum herumkommen. Denn seinen vagen Ankündigungen zu mehr Bewegungsfreiheit für Opposition und Medien folgten bisher kaum konkrete Schritte. Einzige Ausnahme: Am Dienstag ersuchte er das Parlament, auf die geplanten neuen Verschärfungen der Pressegesetzgebung zu verzichten.

Bei diesem und anderen heiklen Themen – darunter Kosovo, Irans Kernforschungsprogramm, die Stationierung von Teilen der US-amerikanischen Raketenabwehr in Mittelosteuropa und der Nato-Beitritt Georgiens und der Ukraine – hat Medwedew sich offenbar Vorwärtsverteidigung verordnet: Russland, vor dem sich die Welt noch immer fürchte, müsse sein Vorgehen in allen Bereichen „deutlich erläutern“ und transparenter werden, hatte er bereits als Präsidentschaftskandidat gesagt.

Dass Medwedew Worten auch Taten folgen lässt, halten regimekritische Experten hierzulande zumindest in der ersten Hälfte seiner Amtszeit für eher unwahrscheinlich. Denn die ersten Amtshandlungen und Personalentscheidungen des neuen Kremlchefs zeugen von begrenzter Souveränität und deuten auf eine Teilung der außenpolitischen Kompetenzen mit Premier Putin hin.

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