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Politik: Besuch beim großen Bruder

Der neue ukrainische Präsident trifft Putin – der seinen Gegner unterstützte

Viktor Juschtschenko betete in der Kiewer Sophien-Kathedrale, bevor er das Flugzeug nach Moskau bestieg. Beistand hat der neue ukrainische Präsident beim Antrittsbesuch beim großen slawischen Bruder bitter nötig. Denn das historisch ohnehin angespannte Verhältnis der Nachbarn wurde während des ukrainischen Wahlmarathons weiter belastet: Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich bis zum bitteren Ende für Juschtschenkos Gegenspieler Viktor Janukowitsch engagiert, diesem sogar voreilig zum „verdienten Sieg“ gratuliert und damit eine der verheerendsten Niederlagen russischer Außenpolitik in der jüngeren Geschichte heraufbeschworen.

Dennoch entschied sich Juschtschenko zum Gespräch mit dem Herrscher im Kreml – keine 24 Stunden nach seiner Vereidigung. Das zeigt, wie wichtig er die „ewige strategische Partnerschaft“ mit Russland nimmt, von der er nach Ankunft in Moskau sprach. „Wir zählen sehr darauf, dass die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine sich so weiterentwickeln wie bisher“, sagte Putin zu Beginn des Gesprächs im Kreml.

Kaum war Juschtschenko in Russland gelandet, wurde bekannt, dass er Julia Timoschenko, seine wichtigste Unterstützerin bei den Protesten gegen die Wahlmanipulation, zur Ministerpräsidentin ernennen will. In Russland wird das keine Begeisterung auslösen: Sie steht dort unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug auf der Fahndungsliste.

Dabei haben beide Seiten auch sonst genug zu besprechen. Offiziell sollte es vor allem um die Wirtschaft gehen: Freier Verkehr von Geld und Arbeitnehmern, Energielieferungen, Fährverbindungen im Schwarzen Meer und im Asowschen Meer sowie den Ausbau der Eisenbahnstrecke Moskau–Kiew für Hochgeschwindigkeitszüge. Diese ehrgeizigen Vorhaben hatte Putin noch mit Juschtschenkos Amtsvorgänger Leonid Kutschma vereinbart. So wollten die beiden ihrem Wunschkandidaten Janukowitsch das Siegen zu erleichtern. Gezahlt wird diese Strecke vor allem von Moskau, ein Rückzug ist kaum möglich.

Es sei gelungen, die Spannungen abzubauen, sagte Juschtschenko nach dem Treffen im Kreml. Das Gespräch sei offen und positiv gewesen, erklärte Putin. „Die neue ukrainische Führung wird die Beziehungen konstant fortsetzen.“ Auf den Wahlstreit gingen die beiden Politiker nur noch kurz ein. „Es ist nicht mehr wichtig, was vor 30 Tagen war, sondern was in fünf Jahren sein wird“, erklärte Juschtschenko.

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