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Papst Franziskus betet in der Zelle des Franziskaner-Minoriten Maximilian Kolbe in Auschwitz.

© AFP

Besuch in Auschwitz: Der Papst der Solidarität

Schweigen, reden, alles zu seiner Zeit – Papst Franziskus setzt in Polen Maßstäbe. Egal, ob es um die Vergangenheit oder die Gegenwart geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Das ist eine Gabe, vielleicht sogar eine Gnade: angesichts großer Ereignisse nicht nur nicht zu viel zu reden, sondern schweigend alles zu sagen. Franziskus, der Papst dieser Tage, hat es gekonnt. Und das an dem Ort, der den, der ihn sieht, fühlt, erfährt, im Grunde doch auch sprachlos macht: Auschwitz.

Der Papst hat, wie es einem Gottesmann gebührt, gebetet. Zweimal tat er das. Franziskus war, wie sein Vorgänger Benedikt XVI., der deutsche Papst, in der Zelle, in der sich Franziskaner-Minorit Maximilian Kolbe vor genau 75 Jahren auf seinen Tod vorbereitete; den Tod, den er auf sich nahm, statt eines Familienvaters, um den zu retten. Der Papst hat im Stillen dem alles gesagt, der alles hört.

Seine Gesten sprachen genug. Keine Rede, und sei sie noch so geschliffen, berührt an diesem Ort mehr als Taten. Als Umarmungen zum Beispiel. Als der Wunsch, ohne Sicherheit allein zu sein. Zumal auch geschliffene Reden verletzen können, auch sie bisweilen Angriffsflächen bieten.

Bene dicere, Papst Benedikt ist es nur zu Teilen gelungen. Ein Teil erregte Anstoß; das war die Passage über das Nazi-Regime, eine „Schar von Verbrechern“, die das deutsche Volk als „Instrument“ missbraucht habe. Auf nicht wenige wirkte das unangemessen, wie der Versuch einer Reinwaschung. Eben weil er redete, fiel umso mehr auf, wozu Benedikt nichts sagte: zum katholischen Antijudaismus und zur Zahl der ermordeten Juden.

Alles das fasste Franziskus in einen Satz, den er niederschrieb, auf dass er nicht verhallen, sondern bleibe: „Herr, vergib uns so viel Grausamkeit.“ Und indem er selber blieb, sich auf den von Gedanken beschwerten Weg zum Appellhof mit seinem Sammelgalgen machte, den küsste und damit an den traditionellen Kuss des Kreuzes Jesu am Karfreitag erinnerte.

Über den Wert der Solidarität zu schweigen, verbietet sich

Mit seiner klugen Art wird er, Franziskus, in Erinnerung bleiben. Schweigen, wo Schweigen mehr sagt als 1000 Worte, und reden, wo man nicht schweigen darf – den polnischen nationalkonservativen Regierungspolitikern müssen die Ohren geklungen haben. Der Papst als Oberhaupt der Katholiken hat kein Hehl daraus gemacht, dass er sich von allen, die es leisten könnten, die Aufnahme von Flüchtlingen wünscht. Auf diese Botschaft vor dem Besuch, bei dem Besuch, hätten die Rechtsklerikalen sicher verzichten können.

Worauf die Kritiker unbedingt hätten verzichten sollen, sind Kommentare wie der, dass sie ihn heute nicht mehr einladen würden. Denn dass Johannes Paul II. selig ein Pole war, dass er den Weltjugendtag erfunden hat, den Polen jetzt in Krakau ausrichten durfte, wo Karol Wojtyla Bischof war, und dass Benedikt gewissermaßen mit dem Bonus der rechten Hand des polnischen Papstes gewählt wurde, alles das berechtigt nicht zu anmaßendem politischem Verhalten.

Zumal dieser Papst auf die Jugend baut. Er will die Millionen erreichen mit seinem Ruf, dass die Welt sich in einem Krieg befinde. Denn sie sind zugleich diejenigen, denen er zutraut, dem Vormarsch der Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten für eine Zukunft in Solidarität. Über den Wert der Solidarität zu schweigen, verbietet sich. Gerade in Polen.

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