zum Hauptinhalt
Bauern sollen entschädigt werden: Wegen der Ehec-Gefahr finden die Landwirte in der EU keine Abnehmer mehr für ihre Produkte. Die zuständigen Minister haben deshalb finanzielle Unterstützung versprochen.

© DPA

Betrag ungewiss: Hilfe für Bauern sicher

Ein Tropfen auf den heißen Stein: Die EU will europäischen Bauern aus der EHEC-Krise helfen. Brüssel hat sich kurzfristig dazu breitschlagen lassen, mehr als 150 Millionen Euro an Landwirte auszuzahlen. Einige EU-Länder pochen auf mehr.

Europas Bauern können wegen der EHEC-Krise mit Entschädigungen von mindestens 150 Millionen Euro rechnen - die Summe wird aber voraussichtlich noch höher ausfallen. Die EU-Agrarminister haben sich am Dienstag grundsätzlich auf Hilfen für betroffene Gemüsebauern geeinigt. „Viele Mitgliedsstaaten haben aber gefordert, diese Summe zu erhöhen“, sagte EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos nach dem Sondertreffen. „Ich habe mich daher verpflichtet, die Zahl nochmal durchzurechnen.“ Schon am Mittwoch werde er höhere Ausgleichszahlungen vorschlagen.

Anfang kommender Woche könnten diese endgültig gebilligt werden. Die Sonderhilfe wird nach den Worten Ciolos zu hundert Prozent aus EU-Töpfen finanziert werden. Zugleich warnte der Kommissar aber vor überzogenen Forderungen: „Es darf nicht zu hoch entschädigt werden.“ Viele Länder hätten bei Diskussion deutlich mehr Geld gefordert.

Das prominenteste Beispiel ist Spanien: „Man muss den Landwirten die Produkte, die sie nicht absetzen konnten, zu 100 Prozent des Marktwerts ersetzen“, sagte die spanische Agrarministerin Rosa Aguilar. Eine konkrete Summe nannte sie nicht. „Die Verluste halten weiter an“, sagte sie aber. Spanische Bauernverbände hatten die Einbußen auf 200 Millionen Euro pro Woche beziffert, nachdem deutsche Behörden vor dem Verzehr spanischer Gurken gewarnt hatten.

„Wichtig für uns ist, dass die Hilfen schnell und unbürokratisch ausgezahlt werden“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) in Luxemburg. Auch in Deutschland seien Höfe „von teils dramatischen Umsatzeinbrüchen betroffen. „Wir sind uns einig, dass wir vor einem europaweiten Problem stehen, deshalb ist es gut, dass es hierzu eine europäische Antwort gibt.“ Mit der Einigung auf Ausgleichszahlungen hat Deutschland bekommen, was es gefordert hat: Hilfen aus EU-Töpfen. Dass Deutschland anderen Staaten Beihilfen finanziere, sei nach EU-Recht völlig undenkbar, sagte ein EU-Diplomat am Rande des Treffens. Hilfen sollten aus EU-Töpfen finanziert werden, in die alle Mitgliedsstaaten einzahlen. Der deutsche Anteil läge damit bei rund 20 Prozent.

Die Minister stuften die EHEC-Krise als besonders dringlich ein. Damit ist der Weg für die Umsetzung der Kommissionsvorschläge frei. Sie sehen Zahlungen für die Produzenten von Gurken, Tomaten und Blattsalat vor - möglicherweise könnten auch Zucchini- und Paprikaproduzenten einbezogen werden. Der Vorschlag der Kommission: Bauern bekommen 30 Prozent von dem zurück, was sie in einem guten Jahr verdient hätten. Doch die Minister verlangten mehr und EU-Kommissar Ciolos ließ sich darauf ein. „Diese 30 Prozent werde ich nach oben korrigieren.“ Am Mittwoch werde er eine „verhältnismäßige und gerechte“ Zahl vorlegen. Als Grundlage für die Berechnung der Summe gelten aber weiterhin Referenzpreise für den Monat Juni der Jahre 2007 bis 2010. Damals seien die Marktpreise höher gewesen als heute.

„Wir werden die gesamte Periode der Krise im Juni abdecken - für die Produkte, die am meisten betroffen sind“, sagte Ciolos. Danach würden die Hilfen auslaufen. Am Rande sagte ein EU-Diplomat: „Die Hilfen laufen nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Die Entschädigungen seien vor allem für Bauern gedacht, die nicht in Produktionsgemeinschaften organisiert seien. Europaweit sind das im Schnitt gerade einmal ein Drittel der Hersteller - auch in Spanien und Deutschland. In Belgien und den Niederlanden dagegen gehören nahezu alle Bauern Gemeinschaften an. In Osteuropa sind die Landwirte kaum organisiert.

Bauern, die Mitglieder in Produktionsgemeinschaften sind, haben einen Vorteil: Sie werden nun zweifach entschädigt. Über die Gemeinschaft haben sie ohnehin schon Anspruch auf Ausgleichszahlungen, die auf fünf Prozent des Produktionswertes pro Jahr begrenzt sind und in manchen Fällen auf zehn Prozent angehoben werden können. Hinzu kommt jetzt aber die Finanzspritze aus Brüssel.

Um an das Geld zu kommen, müssen nichtorganisierte Bauern Verträge mit den Produktionsgemeinschaften schließen - denn nur über diese läuft die Auszahlung der Hilfen. „Wir wollen möglichst viele Produzenten entschädigen. Wir müssen aber sehen, wie viele Anträge kommen.“ Daten über die Einbrüche müssen erst erhoben werden.

Kritik am deutschen Krisenmanagement kam aus mehreren Ländern. „Täglich wird ein neuer Agrarsektor verdächtigt und das schadet der Landwirtschaft insgesamt“, sagte der österreichische Agrarminister Niki Berlakovich. „Es ist schon eine riesige Verunsicherung entstanden, die bis zur Stunde anhält.“ Belgiens Ministerin Sabine Laruelle sagte, Deutschland habe „manchmal ein wenig leichtfertig“ Warnungen ausgegeben. „Deshalb haben wir jetzt einen Sektor, der in großen Schwierigkeiten ist.“ EU-Kommissar John Dalli sprach mit Blick auf das Tauziehen zwischen Deutschland und Spanien von „unterschiedlichen Interpretationen“. „Deutschland sagt, EHEC sei auf getesteten Proben entdeckt worden - und diese allein machten die Produkte unverkäuflich. Spanien wiederum sagt, es habe keinen Fehler beim spanischen Anbau gegeben.“ Das müsse untersucht werden, sagte Dalli. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false