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Betreuungsgeld: Bayerische Retourkutsche

Hamburg hat gegen die sogenannte Herdprämie beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Einige Richter ließen nun tatsächlich Zweifel an dem Prestigeobjekt der CSU durchblicken. Die Bayern sind alarmiert - und reagieren mit einer Drohung.

Wenn die eigenen Lieblingsprojekte in Frage gestellt werden, wird man in der CSU schon mal etwas dünnhäutiger. Zu diesen Lieblingsprojekten gehört neben der Maut für ausländische Autofahrer das Betreuungsgeld, das 2013 von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt wurde. Seitdem erhalten Eltern, die ihre Kinder im Alter von ein bis drei Jahren nicht in eine staatlich geförderte Betreuungseinrichtung geben, eine Prämie von inzwischen 150 Euro im Monat. Anfang 2013 hatte das SPD-regierte Hamburg Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben, auch mit dem Argument, der Bund sei für eine solche Familienleistung gar nicht zuständig. Anfang dieser Woche fand in Karlsruhe der erste Verhandlungstag statt.

Dass einige Richter Zweifel an der Bundeskompetenz beim Betreuungsgeld durchblicken ließen, hat die CSU offenbar in Alarmbereitschaft versetzt. „Wenn das Betreuungsgeld nicht rechtmäßig sein sollte mit dem Argument, der Bund sei dafür nicht zuständig, dann muss man auch die Beteiligung des Bundes am Kita-Ausbau der Länder infrage stellen“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, dem „Spiegel“. Es klingt wie eine Drohung.

Familienministerin Schwesig muss gegen ihre Überzeugung agieren

Der Bund gibt für den Ausbau der Kinderbetreuung für Unter-Dreijährige fast eine Milliarde Euro jährlich aus. Seit August 2013 haben Eltern in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Betreuung, den die Kommunen umsetzen müssen. Im Gegenzug für den Kita-Ausbau hatte die CSU damals durchgesetzt, dass ein Betreuungsgeld eingeführt wird – auch gegen Widerstand aus den Reihen der Schwesterpartei CDU. Im Herbst 2013 war es wieder die CSU, die in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD darauf beharrte, dass die umstrittene Familienleistung nicht wieder abgeschafft werde, so wie es die Sozialdemokraten noch im Wahlkampf gefordert hatten.

Aus der grundsätzlichen Ablehnung der „Herdprämie“ machen viele SPD-Politiker auch heute keinen Hehl. Doch als zuständige Familienministerin muss Manuela Schwesig nun qua Amt die Familienleistung vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigen. Zum ersten Verhandlungstag schickte sie Staatssekretär Ralf Kleindiek und damit ausgerechnet den Mann, der vor seinem Wechsel nach Berlin als Justiz-Staatsrat in Hamburg die Klage maßgeblich vorbereitet hatte.

Den falschen Mann geschickt?

In der CSU argwöhnt man offenbar, dass Kleindiek seine Aufgabe, das Betreuungsgeld zu verteidigen, nur halbherzig wahrnehmen werde. Und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer findet ohnehin, dass der Koalitionspartner die Lieblingsprojekte seiner Partei nicht ernst genug nehme. „Es reicht jetzt“, schimpfte Scheuer im „Spiegel“. „Heckenschützen aus der SPD versuchen immer wieder, zentrale CSU-Projekte zu bekämpfen.“

Die SPD-Familienpolitikerin Carola Reimann empfiehlt der CSU mehr Gelassenheit. „Wir sollten erst mal abwarten, wie die Richter entscheiden“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin dem Tagesspiegel. „Die Aufregung über die Klage verstehe ich nicht“, sagte sie weiter. Das Land Hamburg habe von Anfang an Zweifel an der Bundeskompetenz beim Betreuungsgeld gehabt. „Es ist legitim, das dann auch vor Gericht klären zu lassen.“ Dass Straubinger deshalb gleich die Unterstützung des Bundes für den Kita-Ausbau in Frage stellt, kann sie nicht nachvollziehen. „Durch den Rechtsanspruch sind viele Kommunen mit hohem Engagement beim Kitaausbau dabei. Sie benötigen auch weiter unsere Unterstützung“, sagte die SPD- Frau. „Bisher waren wir uns in der Koalition einig, dass wir weiter Mittel dafür geben wollen. Ich bin überrascht, dass die CSU das in Frage stellt.“

Bayern könnte auch vor Gericht ziehen

Für den Fall, dass die Hamburger mit ihrer Klage Erfolg hätten, sei zu befürchten, dass die bayerische Landesregierung auch vor Gericht ziehen werde, erwartet die Grünen-Familienexpertin Franziska Brantner. Sie rechne aber nicht damit, dass die CSU damit durchkommen werde, sagte die Bundestagsabgeordnete dem Tagesspiegel. Der Bund ist laut Grundgesetz für das Recht der „öffentlichen Fürsorge“ erst dann zuständig, wenn ein Bundesgesetz „zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ nötig ist. Bei der Förderung öffentlicher Betreuungseinrichtungen lasse sich besser argumentieren, warum dies der Fall sei, sagt Brantner. Es sei nicht zu rechtfertigen, dass ein Kind in einer ärmeren Stadt schlechtere Chancen auf eine gute Betreuung habe. Die Grünen-Politikerin mahnt: „Ich hoffe, dass die CSU nicht die Kinder bestraft, die in eine Kita gehen.“

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