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Nicht nur für VW, auch für die deutsche Automobilbranche und für das Image deutscher Wertarbeit insgesamt sind die Manipulationen des Wolfsburger Autobauers verheerend.

© Julian Stratenschulte/pa/dpa

Betrug bei VW: Volkswagen beschädigt die Marke Deutschland

Es geht nicht um eine Panne oder um Fahrlässigkeit. VW handelte offenbar mit Betrugsabsicht. Und das beschädigt die Marke "Made in Germany". Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Skandal ist ein zu schwaches Wort für das, was VW ausgelöst hat. Und was es für die deutschen Automobilmarken bedeutet, ihr Image in der Welt, die Erfolgsaussicht ihres Geschäftsmodells. Sowie, noch genereller, für den Ruf von „German Engineering“. Einem Skandal im üblichen Sinne könnte der Konzern mit dem Rücktritt der Verantwortlichen bis hinauf zu Vorstandschef Martin Winterkorn begegnen.

Doch das ist kleine Münze angesichts der Dimension des Schadens. Denn es geht hier nicht um eine Panne oder eine Fehlentscheidung aus Fahrlässigkeit. VW handelte offenbar mit Betrugsabsicht. Es baute eine Technik in die Diesel-Autos für den US-Markt ein mit dem Ziel, auf dem Prüfstand das tatsächliche Ausmaß des Schadstoffausstoßes zu verschleiern.

Dieses Vorgehen unterhöhlt die Versprechen, mit denen deutsche Hersteller für „Made in Germany“ werben und begründen, warum sie teurer sein dürfen als die Konkurrenz: ganz voran Überlegenheit beim Know-how sowie sauberes Vorgehen in Technik und Geschäftsgebaren. VW hatte im ersten Halbjahr Toyota als Konzern mit den meisten verkauften Autos weltweit überholt.

Dieser Wettkampf ist auch ein Ringen, wer die bessere Strategie hat – mit den USA, einer der beiden größten Volkswirtschaften der Erde, als womöglich entscheidendem Marktplatz. Toyota setzt auf Hybridfahrzeuge, die Benzin- und Elektromotor kombinieren. Die deutschen Hersteller haben diese Technik verschlafen.

VW scheitert am eigenen Anspruch

Sie favorisieren Diesel als Alternative zum Benziner. Vor 2008 hatte Diesel ein schlechtes Image in den USA: stinkt, fährt sich träge, lahme Beschleunigung. VW wettete darauf, das ändern zu können, tourte mit dem in Le Mans siegreichen Diesel-Rennwagen von Audi durchs Land, verbreitete die coole Botschaft: Moderne Diesel sind schnell, haben Durchzug, sind sparsam. Und sauber können wir auch. Nach jahrelanger Öffentlichkeitsarbeit schrieben Zeitschriften wie „Autoweek“ endlich: Für Pendler ist VW Diesel eine attraktive Alternative zum Hybrid. Parallel baute VW eine milliardenteure Fabrik in Chattanooga, Tennessee.

Nun zeigt sich: Sauber kann VW offenbar nicht, jedenfalls nicht ohne zu mogeln. Wie passt das zur technischen Überlegenheit – und zum Anspruch, die Messlatte für alle anderen zu sein, der im Werbespruch „Das Auto“ anklingt? „Tödlich getroffen“ sei der Markt für Diesel-Pkw in den USA, urteilt „Autoweek“ jetzt. BMW und Mercedes müssen mit Besuchen der US-Umweltschutzbehörde Epa rechnen. Nicht auszudenken, wie groß der Schaden für „Made in Germany“ würde, wenn auch sie betrogen haben!

Für VW wird der Betrug bedrohlich teuer. 37.500 Dollar Strafe für jedes manipulierte Fahrzeug verlangt die Epa. Das kann sich bei 482 000 Diesel-Autos, die seit Baujahr 2009 in den USA ausgeliefert wurden, auf 18 Milliarden Dollar summieren. Hinzu kommen die Einnahmeausfälle bei den Neu- und Gebrauchtwagen, die unverkäuflich bei den Händlern stehen, sowie für Umrüstung bereits verkaufter Fahrzeuge – oder deren Rücknahme. Denn nun ist die Frage, ob VW den Käufern aus Vorjahren überhaupt eine Umrüstung anbieten kann, mit der diese Modelle die Abgasnorm erfüllen, ohne spürbar an Leistung zu verlieren. In der Summe könnte der Schaden für den Konzern an die Substanz gehen.

Ausgerechnet VW! Keine Marke mit einer amerikanischen Konzernmutter, die manche Deutsche eher eines windigen Geschäftsgebarens verdächtigen würden. Sondern eine Firma, bei der das Land Niedersachsen zweitgrößter Miteigentümer ist – mit gesellschaftlicher Verantwortung. Deswegen beschädigt dieser Betrug die Marke Deutschland.

VW wird den Spitzenplatz als Konzern mit den meist verkauften Fahrzeugen wohl wieder an Toyota abgeben. Die deutsche Automobilbranche dürfte das Ringen mit der asiatischen Konkurrenz um die richtige Strategie – Hybrid oder saubere Diesel – schneller als befürchtet verlieren. Und da sie die Schlüsselbranche hierzulande ist, wird die ganze deutsche Volkswirtschaft unter den Folgen leiden.

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