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Der Plenarsaal in Erfurt.

© dpa / Bodo Schackow

„Bewusste Grenzverschiebung“ : Empörung über Gender-Votum von CDU und AfD in Thüringen

Mit Hilfe der AfD hat die CDU in Thüringen ein Nein zum Gendern durchgesetzt. SPD-Generalsekretär Kühnert wirft der CDU deshalb vor, mit Faschisten „über Bande“ zu spielen.

Normalerweise sorgen Debatten in Landesparlamenten nicht für bundesweite Schlagzeilen. Doch Thüringen ist immer wieder eine Ausnahme. Die CDU brachte am Donnerstagabend einen Antrag ein mit dem Titel „Gendern? Nein Danke!“: Landtag, Landesregierung und Behörden, aber auch Bildungseinrichtungen sollten auf das Gendern verzichten.

„Gendersprache wird als Eliteprojekt einer kleinen Minderheit empfunden“, rief der CDU-Politiker Christoph Zippel. Viele Menschen empfänden sie als Bevormundung und Gängelung. Der Linken-Abgeordnete Christian Schaft warf der CDU vor, mit ihrem Antrag gegen die Verwendung geschlechtergerechter Sprache Stimmungsmache und einen rechten Kulturkampf zu betreiben, „wie man ihn sonst von der AfD-Fraktion erwarten würde“.

Doch die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen hat im Landtag keine Mehrheit. Bei der namentlichen Abstimmung erhielt der Antrag der CDU am Ende 38 von 74 abgegebenen Stimmen. Möglich war das durch die Unterstützung der AfD.

Wem nutzt der Vorgang?

Dass die CDU in Thüringen mithilfe der AfD einen Antrag durchsetzt – in Berlin sorgt das für scharfe Kritik. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert warf der CDU vor, eine „identitätspolitische Nabelschau“ zu betreiben und „mit den Faschisten der Höcke-AfD“ über Bande zu spielen. „Es handelt sich bei diesem Antrag um eine bewusste Grenzverschiebung, um Abstimmungsmehrheiten unter Zuhilfenahme der AfD zu normalisieren“, sagte Kühnert dem Tagesspiegel.

Dieser Kulturbruch werde nur dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und seinen „Sturmtruppen“ nutzen. Kühnert fragte: „Wie viele Anträge will die CDU in Thüringen noch mit der AfD durchboxen, bis Friedrich Merz endlich aus seinem Dornröschenschlaf aufwacht und eine Haltelinie zieht?“

Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag.
Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der AfD im Thüringer Landtag.

© dpa/Peter Gercke

Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sagte dem Tagesspiegel, er wisse, dass die überragende Mehrheit von CDU und CSU eine Kooperation mit der AfD ablehne. „Deswegen verstehe ich es nicht, wie es in Thüringen und andernorts immer wieder zu derartigen Vorgängen kommen kann.“

Auch in Thüringen selbst sorgt der Vorgang für Empörung. „Eine Brandmauer gegen rechts, so wie häufig von der CDU beschworen, ist hier nicht zu erkennen. Eigentlich müsste von einem Brückenschlag der CDU zur AfD gesprochen werden“, sagt Madeleine Henfling, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, dem Tagesspiegel.

Sie verweist auch auf die Aussagen des ehemaligen Thüringer CDU-Chefs Mike Mohring, der sich zuletzt gegen eine parlamentarische „Ausgrenzung“ der AfD ausgesprochen hatte. „Aus unserer Perspektive handelt es sich hier um einen kalkulierten Tabubruch, der definitiv zur Normalisierung der AfD und der Zusammenarbeit mit der AfD beitragen soll“, sagte Henfling.

Die CDU verteidigt sich

In der Thüringer CDU kann man die Aufregung über den Gender-Beschluss nicht verstehen. Der Thüringer CDU-Chef Mario Voigt erklärt, jeder solle so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. „In unseren öffentlichen Einrichtungen soll es aber eine klare und verständliche deutsche Sprache geben.“

Auch den Vorwurf der Zusammenarbeit mit der AfD weist Voigt zurück. Die AfD sei eine rechtsextremistische Partei. „Aber wir können und werden keine inhaltlichen Initiativen, die unserer innersten Überzeugung und unserer Programmatik entsprechen, nur deshalb nicht offen zur Abstimmung stellen, weil wir Angst vor Beifall von der falschen Seite haben“, sagt Voigt. Wer aus Furcht eigene Überzeugungen aufgebe, verleihe der AfD Macht, die sie gar nicht habe. Voigt betonte auch, es gebe über CDU-Anträge keine Absprachen mit der AfD.

Nicht der erste Vorfall dieser Art

Gesprächspartner in Erfurt weisen darauf hin, dass diese Abstimmung nicht die erste ist, bei der die CDU einen Antrag mit Unterstützung der AfD verabschiedet hat. Die vorherigen Fälle bekamen nur keine bundesweite Aufmerksamkeit.

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So hatte die CDU mit der FDP und der Unterstützung der AfD einen Antrag für eine „familienfreundliche Reform der Grunderwerbssteuer“ verabschiedet. Im Frühjahr nutzten CDU, FDP und AfD ihre Mehrheit auch, um einem Antrag der Regierungsfraktionen auf Verlängerung der Corona-Maßnahmen abzulehnen.

Gleichzeitig versucht die Thüringer Landesregierung immer wieder, der CDU entgegenzukommen und so zu verhindern, dass diese gemeinsam mit FDP und AfD Dinge durchsetzt. Im Sommer hatte der Streit um Regeln für die Windkraft Schlagzeilen gemacht. Die CDU wollte einen 1000-Meter-Mindestabstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnhäusern, die AfD signalisierte ihre Zustimmung. Am Ende einigten sich CDU und Rot-Rot-Grün auf einen Kompromiss.

Was damals verhindert werden sollte, ist nun mit dem CDU-Antrag zum Gendern passiert.

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