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BGH-Urteil: Rechtsgrundlage für Online-Ausspähungen gesucht

Nach dem BGH-Urteil gegen heimliche Computer-Schnüffeleien der Ermittlungsbehörden zerbricht sich die Koalition den Kopf darüber, wie Online-Ausspähungen künftig rechtssicher gemacht werden können.

Karlsruhe - Nachdem der Bundesgerichtshof die heimliche Computer-Ausspähung durch die Polizei für unzulässig erklärt hat, wollen Union und SPD so rasch wie möglich eine Rechtsgrundlage für Online-Durchsuchungen schaffen. Es sei unerlässlich, dass die Strafverfolgungsbehörden diese Möglichkeit erhielten, erklärte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Laut BGH fehlt für derartige amtliche Hacker-Angriffe bisher eine eindeutige Ermächtigungsgrundlage im Gesetz. Dies solle auch so bleiben, forderte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Mit ihrer am Montag veröffentlichten Entscheidung lehnten die Richter den Antrag von Generalbundesanwältin Monika Harms ab, die den Computer eines mutmaßlichen Islamisten mit einem herkömmlichen Durchsuchungsbefehl heimlich auf Beweise durchforsten lassen wollte. Die Fahnder hatten vorgehabt, wie bei einem Hacker-Angriff ein Programm zu installieren, um den Inhalt der Festplatte des mutmaßlichen Islamisten komplett und online auf einen Computer der Fahnder zu kopieren. Danach sollte sich die Spionagesoftware de-installieren.

Durchsuchung müsste offen erfolgen

Laut BGH ist die verdeckte Online-Durchsuchung jedoch nicht durch die Vorschrift zu Hausdurchsuchungen gedeckt, weil diese laut Strafprozessordnung "offen" vorgenommen werden müssen. Der Beschuldigte hat dabei etwa das Recht, bei der Durchsuchung selbst anwesend zu sein und Zeugen daran zu beteiligen. Zwar könnten andere Ermittlungsmaßnahmen wie etwa das Abhören von Telefonaten oder ein Lauschangriff ohne Wissen des Beteiligten vorgenommen werden. Die formalen Anforderungen dafür seien aber sehr viel höher als bei einer Hausdurchsuchung. Auch andere Regeln der Strafprozessordnung gestatteten die verdeckte Online-Durchsuchung nicht, heißt es in dem Beschluss.

Die Rechtsexperten von CDU/CSU und SPD, Wolfgang Bosbach und Dieter Wiefelspütz, kündigten in der "Frankfurter Rundschau" an, dass nun rasch eine Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Ermittlungen geschaffen werde. Solch ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre solle aber nur erlaubt werden, wenn ein Richter sie angeordnet habe, sagten beide Politiker übereinstimmend. Bosbach hält dieses Mittel für unerlässlich, "weil wir sonst eine erhebliche Ermittlungslücke bei der Strafverfolgung haben". Wiefelspütz zufolge soll bei dem Gesetzesvorhaben genau definiert werden, was der "Kernbereich privater Lebensgestaltung" sei, der bei Durchsuchungen nicht angetastet werden dürfe. Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) forderte Online-Durchsuchungen auch bei Kinderpornografie.

Bislang hat nur NRW Gesetzesgrundlage

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, verlangte von der Bundesregierung eine schlüssige Begründung der Notwendigkeit solcher Ermittlungsmethoden. "Auf keinen Fall darf eine Online-Überwachung zu einer polizeilichen Standardmaßnahme werden", erklärte er. Schaar äußerte ebenfalls Bedenken und empfahl wegen "unlösbarer praktischer Fragen", das Projekt Online-Durchsuchungen nicht weiter zu verfolgen.

Bislang ist nur in Nordrhein-Westfalen ein heimliches Ausspähen von Computern zulässig, und dies auch nur zur "allgemeinen Gefahrenabwehr". Denn dort beschloss die schwarz-gelbe Koalition Ende 2006 entsprechende Befugnisse für den Verfassungsschutz. Die Münsterländer Anti-Atomkraft-Initiativen kündigten nun mit Blick auf die BGH-Entscheidung an, gegen das entsprechende NRW-Gesetz am Dienstag in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen zu wollen. Die Atomkraftgegner befürchten, dass auch ihre Computer und E-Mails heimlich ausspioniert werden könnten. (tso/AFP)

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