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© dpa

Bilanz nach 100 Tagen: Doktor Obama antwortet

Trotz blendender Umfragewerte ist dem neuen US-Präsidenten nicht zum Feiern zu Mute. Auf der traditionellen Pressekonferenz schlüpft er in die Rolle des Doktors, des Juristen, des Ökonomen. Dabei sind seine Antworten besser als die Fragen der Journalisten.

Man wird nie erfahren, ob die Obamas am Mittwoch, dem 100sten Tag ihrer Präsidentschaft, persönlich eine erste Bilanz gezogen haben, als die Journalisten endlich verschwunden waren und Ruhe ins Weiße Haus einkehrte. Vielleicht war Barack ja ein bisschen eifersüchtig auf Michelle. Denn nach den Umfragen finden mehr als 70 Prozent der Amerikaner, ihre First Lady mache einen tollen Job. Der Ehemann kommt nur auf 62 Prozent.

Doch auf diese Zahl kann er stolz sein, denn soviel Zustimmung haben Amerikas Staatenlenker nach erst drei Monaten im Amt selten erhalten. Meist kommt schnell der tiefe Fall, zu hoch sind die Erwartungen, zu groß ist Enttäuschung. Angesichts zweier Kriege, einer gigantischen Wirtschaftskrise und einem Dutzend ungelöster Probleme wäre das auch jetzt denkbar gewesen.

Wieder einmal ist alles anders

Aber wieder einmal ist alles anders, weil Obama einfach anders ist. Der große Kommunikator reist unermüdlich durchs Land und erklärt und erklärt. Ob Afghanistan oder Iran, ob Konjunkturpaket oder Regeln für die Banken, ob Gesundheitsreform oder grüne Energie – Obama will, dass möglichst alle verstehen, was er macht und warum das wichtig ist für Amerika.

So gelingt es ihm, dass selbst solche Menschen mit auf die Reise gehen, die manchmal zweifeln, ob der Obama-Zug die richtige Richtung eingeschlagen hat, ob er nicht zu stark beladen wird, zu schnell fährt und womöglich entgleist. Irgendwie vertrauen die meisten dem Lokomotivführer und glauben, er mache es richtig. Selbst gestandene Republikaner wie Senator Allen Specter aus Pennsylvania springen mit auf.

Kein Grund zu feiern

Und trotzdem: der 100. Tag war kein Grund zum Feiern. Dafür sei die Lage zu ernst, meinte Obama. Gewohnt nüchtern beantwortete er alles, was die Journalisten von ihm wissen wollten. Oder besser gesagt: was amerikanische Journalisten wissen wollten. Denn wieder einmal durften ausländische Medienleute keine Fragen stellen. Darin unterscheidet Obama sich leider nicht von seinen Vorgängern.

Der neue Präsident schlüpfte vor der Presse in völlig unterschiedliche Rollen. Mal spielte er den besorgten Doktor, mal den belehrenden Rechtsprofessor, mal den mit Zahlen jonglierenden Ökonomen. Mal war er ernst und langatmig, mal witzig und kurzweilig. Meist antwortete er genau auf den Punkt.

Der Hausarzt von nebenan

Die erste Frage des Abend galt natürlich der Schweinegrippe – und Doktor Obama gab den guten alten Hausarzt von nebenan. Bitte keine Panik, mahnte er. Die Leute sollten sich immer schön die Hände waschen und Mund und Nase bedecken, wenn sie husten oder niesen müssten. Wer sich krank fühle, möge gefälligst zu Hause bleiben und auf keinen Fall ein Flugzeug besteigen.

„Mister President, Sie haben gesagt, waterboarding, das simulierte Ertränken, sei Folter. Hat ihr Vorgänger also foltern lassen?“ – „Ich bin der Überzeugung, dass waterboarding Folter ist. Und womit das auch immer rechtlich begründet und gerechtfertigt wurde – es war ein Fehler.“ Schluss, Aus.

„Mister President, können wir im Notfall Pakistans Atombomben sicherstellen und verhindern, dass sie in die Hände der Taliban geraten?“ – „Ja, das kann ich versichern.“ Nur dürfe man Pakistans Problem nicht auf das Thema Atombomben verkürzen. Die Regierung täte so gut wie nichts, um den Menschen Gesundheit, Bildung und die Herrschaft des Rechts zu gewährleisten. Das sorge ihn mindestens ebenso.

"Entzückt" über die Soldaten

„Und was, Mister President, hat sie in diesen hundert Tagen besonders überrascht, beunruhigt, entzückt und wobei sind Sie sich besonders klein vorgekommen?“ – „Wiederholen Sie das bitte noch einmal,“ sagte Obama, zückte seinen Stift, schrieb die Worte auf, und alle lachten. „Überrascht?“ Dass man nicht nur zwei oder drei, sondern sieben bis acht Probleme auf einmal schultern müsse. „Beunruhigt?“ Dass der Wandel in Washington so mühsam sei und die politischen Gegner selbst inmitten der größten Krise weiter ihre Messer wetzten.

„Entzückt?“ Auch wenn das vielleicht nicht das passende Wort sei, aber entzückt hätte ihn die Loyalität und Selbstlosigkeit der Soldaten. „Und klein gefühlt?“ Dass er zwar ein äußerst mächtiges Amt habe, aber trotzdem nicht auf einen Knopf drücken könne, damit Banker und Kongress alles täten, was er wolle.

Nach einer Stunde und 13 Fragen war Schluss. Keinen amerikanischen Journalisten schien an diesem Abend der Krieg in Afghanistan zu interessieren oder was Obama kurz zuvor mit 16 Umweltministern dieser Welt beraten hatte. China, Europa, Russland, Indien – all die Umweltsünder waren zur Konferenz nach Washington gereist, doch die Medien schauten weg. Am 100. Tag der Obama-Ära waren die Antworten des Präsidenten besser als die Fragen seiner Kontrolleure.

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